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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 28.1909-1910

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I. Theil: Abhandlungen
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Röttinger, Heinrich: Breu-Studien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5949#0094
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Breu-Studien.

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desselben Stechers Kopf Nidlant Pass. 590), der sich auch in den Rundscheiben dieses Schnittes geltend
machen dürfte.1 Für den Abraham auf der Opferung Isaaks ist offenbar der 1536 datierte Mucius
Scaevola Anthoniszoons (W. Schmidt 10, Moes 105) maßgebend gewesen. Die Erklärung dieses geistigen
Austausches aus der schnellen und weiten Verbreitung derartiger fliegender Blätter könnte völlig befrie-
digen, stünden uns nicht Indizien für einen persönlichen Verkehr der beiden Männer zu Gebote.
Man hatte aus dem Vermerke «gheconterfeyt na tleuen», den Anthoniszoon auf seinem Holzschnitte mit
der Belagerung Algiers (W. Schmidt 28, Moes 108) angebracht hatte, mit allem Grunde geschlossen,
daß er im Gefolge Karls V. in Algier gewesen war, wie ja auch Vermeyen 1535 den Kaiser nach Tunis
begleitet hatte. Heimkehrend scheint der Amsterdamer seinen Weg über Deutschland genommen und
dabei Augsburg berührt zu haben. Hier muß Breu die Skizze Anthoniszoons zu Gesichte bekommen
und, solange sie noch frisch in seinem Gedächtnisse haftete, in raschen Zügen sich notiert haben, der-
gestalt im voraus für die Entlehnungen aus den 1541 bereits erschienenen Blättern des Bankettes und
der Altersstufen sich schadlos haltend, ehe sie noch der ahnungslose Besucher ins Werk gesetzt hatte.
Nur so erklärt sich der Zusammenhang, der zwischen dem 1542 datierten Algierblatte des Anthoniszoon
und dem Breus nach Auffassung der Begebenheit, Darstellung des Geländes und Lage der Stadt ohne
Frage besteht und jedem offenbar werden muß, der in Gotha die einzige Gelegenheit wahrnimmt, die
seltenen Blätter miteinander zu vergleichen. Breus Arbeit für eine Kopie nach dem Schnitte Anthonis-
zoons zu erklären, schließt die vollständige Verschiedenheit aller Einzelheiten aus. Während bei die-
sem die Schlacht erst im Stadium der einleitenden Kanonade steht, sind bei Breu die Christen bereits
in die Stadt eingedrungen — bekanntlich kam es in W'ahrheit gar nicht so weit.2

Breu, der Epigone, der bisher nur Anregungen empfangen hatte, findet also nun selbst einen Kreis
von Kunstgenossen, die es der Mühe wert erachten, ihn nachzuahmen. Gewiß war sein Einfluß nicht
tief, nur gegenständlich und nicht formal. Ihn mag das große Ansehen, das der deutsche Holzschnitt
des XVI. Jahrhunderts im allgemeinen in Europa genoß, begünstigt haben; aber er war nicht von ihm
bedingt, sondern doch auf den persönlichen Geist der Breuschen Kunstschöpfungen gegründet, der,
worauf ich noch zu sprechen komme, ebenso wie auf die Niederländer auf Breus eigene Landsleute
wirkte. Es ist unserem Meister zur Ehre anzurechnen, daß er einer selbst außerordentlich produktiven
Künstlerschaft, die zudem bereits ganz anderen Idealen nachging, zu einer Zeit mit seinen Schnitten
Beachtung abzunötigen verstand, da jede andere Kunstübung in seinem Vaterlande in raschem Verfalle
begriffen war.

Nunmehr beginnt Deutschland fast lieber als direkt aus Italien die durch rassenverwandte Vermittler
mundgerecht gemachte italienische Kunst aus den Niederlanden zu beziehen. Selbst rasch verarmend an
künstlerischen Talenten, eröffnet sich das Reich willig der Invasion niederländischer Künstler, die durch
die Namen Candid, Spranger, Neuchatel, Sadeler, Adriaen deVries, Sustris nicht erschöpft sondern nur
umschrieben wird. Breu selbst hatte noch aus jenem Übermaß an niederrheinischen Talenten für seine
Werkstätte Nutzen gezogen. Es darf als sicher gelten, daß der Geselle C, der am großen Augsburger
Ehrenbuche mitgearbeitet und die zwei farbigen Herrscherfiguren der Albertina mit Köpfen versehen
hatte, ein Niederländer, wahrscheinlich ein Antwerpener war. Seine Typen mit ihren langgezogenen
geraden Nasen, den in Profilstellungen geschlitzten Augen und den plumpen Ohren und namentlich die
Lücke zwischen Bart und Kopfhaar vor dem Ohre sind bezeichnend für die Durchschnittsart der Maler
aus der Gefolgschaft des Frans Floris.

1 Vgl. die im Preußischen Jahrbuche XXX (1909), S. 14 ff'., abgebildeten Arbeiten B. v. Orleys. Ähnliche Bildungen
sind allerdings auch in der augsburgischen Kunst zu belegen, z. B. Burgkmairs Schnitt Pass. III, 281, Nr. 120.

2 Hätte Breu seinem Flugblatte, was an und für sich schon unwahrscheinlich ist, im Einverständnisse mit Anthoniszoon
dessen Skizze zugrunde gelegt, so wäre nicht einzusehen, warum er sie nicht einfach kopiert hätte. Dagegen, daß er sie aus
der Erinnerung wiederholte, spricht nicht, daß Breus Schnitt zu dem Anthoniszoons, der die Christen von Westen aus Algier
angreifen läßt, gegenseitig ist. Anthoniszoon mußte seine an Ort und Stelle gemachte Skizze im Spiegelbilde auf den Holz-
stock bringen, sollte auf dem fertigen Drucke die historische Situation gewahrt bleiben. Breu zeichnete in der Eile den Vor-
gang in demselben Sinne auf den Stock, in dem ihn Anthoniszoons Entwurf zeigte. Das Blatt Breus zeigt die Aktion also
im Gegensinne.
 
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