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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 28.1909-1910

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I. Theil: Abhandlungen
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Röttinger, Heinrich: Breu-Studien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5949#0093
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Heinrich Rüttinger.

(J.-N. 7850) entwarf, verwendete dafür den ersten Tänzer und die zweite Tänzerin und für die mit
Salome sich unterredende Herodias rechts unten die dritte Tänzerin des Bankettes.1 Cornelis Bos nahm
daraus zwei Paare in seine Serie der Hochzeitstänzer auf.2 Besonders reich an Entlehnungen aus dem
Schnitte ist die Folge des Cornelis Anthoniszoon, in der die Geschicke geschildert werden, welche
Weelde, Gemack, Aermoede und Pouer dem Sorgeloos bereiten (W. Schmidt Nr. 14, Moes Nr. 107).3 Das
Blatt mit der Tanzbelustigung zeigt das mittlere Tänzerpaar und die Musikanten, das mit dem Mahle
den Kavalier an der dem Beschauer zugewendeten Seite des langen Tisches. Daß hier Breu der Geber
war, erweist, abgesehen von der Jahreszahl 1541 auf dem Blatte mit dem Haushalte der Armut, der ganze
Charakter der Arbeit des Amsterdamer Künstlers, der für den Narren des Tanzblattes den Narren des
Schäufelinschen Schnittes B. 96 entlehnte, das sich umarmende Paar desselben Blattes einfach nach dem
entsprechenden Paare der Schäufelinschen Hochzeitstänzer kopierte, dem Gemack, der mit der Weelde
flieht, den Kavalier Schäufelins mit der erhobenen Linken derselben Reihe zugrunde legte. In anderen
Arbeiten Anthoniszoons haben Burgkmairs Schnitte deutliche Spuren hinterlassen. Nicht so schlagend
wie zwischen dem Bankette und der Sorgeloosreihe, aber immer noch deutlich genug sind die Überein-
stimmungen, die zwischen den Altersstufen Breus und dem inhaltsgleichen Schnitte Anthoniszoons
(W. Schmidt 23) bestehen. Auf den ersten Blick scheint hier das Verhältnis der beiden Künstler zu ein-
ander das umgekehrte gewesen zu sein. Anthoniszoon ist nicht nur motiven- und beziehungsreicher als
Breu sondern er hat auch Motiven, die von Breu recht ungeschickt untergebracht worden waren, mit
sicherem Gefühle ihre richtige Stelle angewiesen. Breu hatte z. B. dem Zehnjährigen eine Wiege bei-
gesellt, den dazu gehörigen Napf mit dem Kindermus aber dem Zicklein in der Nische vorgesetzt,
während Anthoniszoon richtig Wiege und Breitopf an den Anfang als Attribute der allerersten Stufe,
der des Neugeborenen, gestellt hatte. Trotzdem ist Anthoniszoon der von Breu Angeregte: mit seiner
Verbesserung hatte er nur die in Breus Vorlage getroffene und von diesem unpassend veränderte Grup-
pierung wieder hergestellt.4

Andererseits wirkt auch die niederländische Kunst, wenn auch in geringcrem Maße, auf Breu zurück.
Unter seinen vor 1541 entstandenen Arbeiten hatte nur die Formensprache der drei Göttinnen des Paris-
blattes an den niederländischen Kunstdialekt angeklungen, wodurch verleitet W. Schmidt das Blatt dem
Werke Anthoniszoons einreihte. In letzter Linie liegen ihnen jedenfalls italienische Vorbilder zugrunde.
Erst die nach 1541 entstandenen Schnitte setzen deutlichere niederländische Formelemente in einen ge-
wissen Gegensatz zu der älteren Gruppe. Die drei Frauengestalten des Breuschen Schnittes mit den
beiden Sterbenden verraten vorzüglich in ihrer Tracht niederländischen Einfluß (vgl. mit ihnen die
Dame auf dem 1544 datierten Schnitt Anthoniszoons W.Schmidt ig, Solis' Stich Prabanntd B. 282 und

Den Balkon Davids, die Terrasse davor, den Torbogen dahinter, die halbmondgeschmückte Kuppel, den Palmbaum in der
Mitte der Darstellung, das rundbogige Pförtchen daneben (als Laubengang), die Arkaden rechts, den Ziergarten hinter dem
Brunnen, das unebene Terrain seitlich von ihm, den Pfau usf., das alles wußte er in seinem Stiche unterzubringen.

1 Den Henker entnahm er Dürers Schnitt B. 125, die Architektur ist aus Motiven der Beham-Schnitte P. 832 und 907
zusammengesetzt. Die Dame rechts von Johannes erinnert in ihrer Erscheinung ungemein an die Liebe auf Breus Schnitt
mit den beiden Sterbenden. Die direkte Vorlage kenne ich nicht.

2 Wurzbach, a. a. O. I, S. 145, Nr. 45.

3 Über C. Anthoniszoon vgl. W. Schmidt in Meyers Künstlerlexikon II, S. 97 ff., und E. W. Moes, De Amsterdamsche
Boekdrukkers en Uitgevers, Bd. I (1900).

4 Die Priorität Breus erhellt aus folgendem: Seine Quelle, die ich nicht kenne, hatte entsprechend der Stufe des Neu-
geborenen eine offenbar durch eine Bahre angedeutete Stufe des Dahingeschiedenen. Diese Bahre hatte Breu richtig an das Ende
der Reihe gestellt. Anthoniszoon zog es vor, als letzte Ruhestätte das offene Grab zu wählen, und stellte die Bahre, von der
er nicht lassen wollte, vor den Bogen, der die verschiedenen Altersstufen trägt und dem er die Form eines Triumphbogens
gab. Aus Breus Schnitt stammt ferner die Gestalt des Todes, den Anthoniszoon aber von der die gesamten Lebensalter
beherrschenden Stelle hinter dem Fünfzigjährigen, die ihm Breu zugeteilt hatte, entfernte, indem er ihn in einer Öffnung ober
dem Torbogen erscheinen ließ. Den Blick durch diesen auf die Szenen des jüngsten Gerichtes hat Anthoniszoon beibehalten
ebenso wie einige der verschiedenen Alterstypen. Überaus glücklich war des Amsterdamers Gedanke, diese in unmittelbare
Verbindung mit den symbolischen Tieren zu bringen, die Breu in verkleinertem Maßstabe in einzelne Nischen gestellt
hatte. — Dodgson macht mich auf eine im British Museum befindliche, weder von W. Schmidt noch von Moes beschriebene
signierte Wiederholung des Schnittes Breus mit den beiden Sterbenden durch Anthoniszoon aufmerksam. Ein Teilstück davon
(mit dem Tode) sah ich im Rijksmuseum zu Amsterdam. Ich mißverstand jedoch sein Verhältnis zu Breu.
 
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