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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 28.1909-1910

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I. Theil: Abhandlungen
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Röttinger, Heinrich: Breu-Studien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5949#0092
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Breu-Studien.

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Auch daß Breu, als er in dem Blatte mit dem Tode des Gerechten und des Ungerechten den auch den
Reformatoren geläufigen alten Dramenstoff des Everyman behandelte, in seiner Laieneinfalt den guten
Werken so viel Platz gönnte, mag den Dienern am Worte mißfallen haben. Um so williger folgte er
sonst in der Wahl seiner Stoffe ihren Absichten. Susannens Bedrängnis, Abrahams Gehorsam, Davids
Fall und des reichen Mannes Hartherzigkeit gegen den armen Lazarus wurde von lutherischen Schul-
männern unermüdlich in lehrhaften Dramen ihrem Publikum ans Herz gelegt. Auf die bühnenmäßige
Ausgestaltung der Breuschen Schauplätze hatten die theatralischen Aufführungen seiner Zeit ebenso ein-
gewirkt wie die Passionsspiele der alten Kirche auf die bildliche Darstellung der Leidensgeschichte in
den Tagen vor der Reformation. Mehr als seine kleinen Buchillustrationen oder seine Buchmalereien
sind die großen Schnitte geeignet, Breus Bild für die Zukunft den charakteristischen Zug zu geben. Einer
der letzten Vertreter des künstlerisch bedeutenden Augsburger Bilddruckes, steht er zugleich am Anfange
einer neuen Zeit, in der dieser, was er an innerem Werte verliert, durch Wirkung in die Weite ersetzt.
Nun hebt die großartige Bilderbogenproduktion an, durch welche die Stadt im Vereine mit Nürnberg
Jahrhunderte hindurch ganz Deutschland ebenso konkurrenzlos mit fliegenden Blättern versah, wie es
Frankfurt und Leipzig mit Büchern taten. Erst die völlig veränderte Weltlage zu Anfang des XIX. Jahr-
hunderts bringt diese Industrie zu Falle.

Der Künstler, bei dem sich Breu zunächst Rats erholte, als er mit dem Susannenblatte größeren
Formaten sich zuwendete, war Schäufelin, dessen 1536 datierte Susannendarstellung (Pass. III, S. 233 f.,
Nr. i36) ihm starke kompositionelle Anregungen gewährte. Die wichtigste bot die Teilung des Schau-
platzes durch die das Bild durchschneidende Mauer, die auch auf Schäufelins Erweckung des Lazarus
(B. 17) wiederkehrt. Dieses Blatt (es ist achtteilig) war Breu maßgebend für Ton und Haltung des Susannen-
blattes, das heißt für die Verteilung des Details auf den weiten Flächen der Stöcke und seine Ausgestaltung.
So entstammt der Erweckung des Lazarus z. B. der großblättrige Fruchtbaum links im Susannenblatte;
die beiden Alten haben von den langbärtigen Gestalten des Blattes angenommen. Ein formaler Einfluß
Burgkmairs auf Breus große Bilderbogen ist nicht erkennbar. Die besonders in einigen Kriegertypen des
Auferstehungsblattes deutlich werdenden Ubereinstimmungen mit der 1527 datierten Kreuztragung, die
Passavant (III, S. 270, Nr. 83) Burgkmair zugeteilt hatte, kommen nicht in Betracht, da das Blatt nicht
von diesem herrührt. Ihr Urheber ist vielmehr in Ostendorfers Art geschult. Einem richtigen Gefühle,
jedoch allzuwillig folgte Passavant, als er Breus Tod des Gerechten und Ungerechten und die Alters-
stufen Holbein zuschrieb (III, S. 38of., Nr. 3o und 3i). Dessen Einflüsse folgen insbesondere das Blatt
mit den beiden Sterbenden, dann die Auferstehung Christi und der heil. Christoph in dem Verhältnisse
der Figuren zum Bildausmaße und dem Schwung und der Eleganz ihrer plastischen Durchbildung. Ein-
geleitet wird diese Beziehung durch den großen Lazarus; auch das Wappen Truchseß' von Waldburg
gehört in diese Gruppe. Maßgebend war Passavant bei seiner Zuteilung zunächst wohl die Todesfigur,
die auf beiden von ihm beschriebenen Blättern eine Rolle spielt. Im Sinne Holbeins sind sodann die
Engelfiguren auf dem Blatte mit den beiden Sterbenden (Woltmann 94) gehalten, die Wolken und die
schneckenförmig eingedrehten Feuerzungen des großen Lazarus (W. 17, 18 etc.) und der Baum im
Gobelin dieses Blattes (W. g3). Die vor dem Tode fliehende Welt auf dem Blatte mit den beiden
Sterbenden erinnert tatsächlich an Motive des Holbeinischen Totentanzes, der 1538 erschienen war.

Wie die zahlreichen kompositionellen und formalen Motive beweisen, die in spätere Holzschnitte
und Kupferstiche aus den Breuschen Bilderbogen übergegangen sind, müssen sich diese weiter Ver-
breitung und großer Beliebtheit erfreut haben. Burgkmairs und Schäufelins große Blätter zusammen
haben dem Jahrhundert nicht entfernt so viele Anregungen geboten wie Breus Bankett allein, das eines
der populärsten Blätter der nachdürerschen Zeit gewesen sein muß. Auffallend ist, ein wie starker Bruch-
teil dieser Anklänge in niederländischen Erzeugnissen festzustellen ist. Als Remigius Hoogenbergh seinen
Stich mit der Bathsebageschichte vorbereitete, hatte er den Breuschen Schnitt gleichen Inhaltes vor sich
liegen.1 Der anonyme niederländische Zeichner, der die Enthauptung des Johannes der Albertina

1 Wurzbachs Niederländisches Künstlerlexikon I, S. 714, Nr. 8. — Hoogenbergh hat die Spuren, die von Breus Schnitt
zu seinem Stiche führen, geschickt verwischt. Dennoch wird man finden, daß er kein Motiv der Vorlage unverwertet ließ.

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