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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 28.1909-1910

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I. Theil: Abhandlungen
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Röttinger, Heinrich: Breu-Studien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5949#0096
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Breu-Studien.

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der Architektur auf (z. B. an den Karyatiden und dem plastischen Schmuck des Thronsessels Ahasvers).
Die überwiegende Bedeutung, die ihr in der Komposition zukommt, macht das Bild geradezu zu einer
Zwischenstufe zwischen den italienischen Vorbildern (Carpaccios Ursula-Zyklus) und den reinen Archi-
tekturbildern, wie sie zur selben Zeit Vredeman deVries zu liefern begann.

Ich habe vorhin schon die Tatsache gestreift, daß nicht weniger als in den Niederlanden auch
außerhalb Augsburgs im übrigen Deutschland Breus Tätigkeit für den Holzschnitt zahlreiche Spuren
zurückgelassen habe. Dabei ist es natürlich von geringem Belange, was kleine Leute, wie der Mono-
grammist MW oder der Monogrammist h, aus den Blättern Breus sich aneigneten. Aber es ist wichtig zu
untersuchen, ob und wie sie auf die einzigen Graphiker, die in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts
eine beherrschende Stellung einnahmen, auf Virgil Solis und Jost Amman, wirkten. Daß Solis, der alles,
was ihn irgendwie brauchbar dünkte, für seine Zwecke umarbeitete, an Breu nicht vorüberging, war zu
erwarten. Auch für ihn erweist sich zunächst das Bankett als ergiebige Quelle: das Tänzerpaar B. 225
ist dem rechten, das B. 227 dem linken, das B. 228 dem mittleren jenes Blattes nachgebildet. In B. 23o
wiederholte er die Musikanten, in B. 231 das Paar und den Schenken links, auf die Stiche B. 232 und
233 verteilte er die Gruppen am langen Tische in der Mitte. Die ersten Blätter bieten Kopien, die beiden
letzten sind als freie Umbildungen gegeben; in einer solchen hat er in dem Stiche Pass. 572 auch das
Parisblatt verwertet. Bei Amman, der doch ungleich mehr als Solis aus Eigenem schöpfte, sind Ent-
lehnungen aus Breu ebenso häufig. Auch bei ihm steht das Bankett obenan. Die radierte Darstellung

Fig. 34. Virgil Solis, Enthauptung Johannes des Täufers. Stich B. 26.
Wien, Hofbibliothek.

Andresen 186 ist lediglich eine freie Umschreibung des Breuschen Schnittes; das Tänzerpaar der großen
Ehebrecherbrücke geht auf das rechte Paar des Bankettes zurück, aus dem er auch die Spielleute ent-
lehnte. Der Schalksnarr der Ehebrecherbrücke klingt an den Spaßmacher des großen Lazarus an. Dem
kleinen bildete er den Bibelschnitt A. 181/101 nach, dem Opfer Isaaks den Josephusschnitt I, 12'der
Ausgabe von 1571; den Christoph Breus legte er seinem Christoph A. 53 zugrunde.

Alle diese Entlehnungen — sie würden sich bei einer Durchsicht der vollständigen Werke der
beiden Künstler ohne Frage vermehren lassen — wiederholen Motive aus dem uns erhaltenen gedruckten
Werke Breus. Das ist der gewöhnliche Weg, auf dem Graphiker auf Zeitgenossen und Spätere einwirken.
Auf einen besonderen scheint der folgende Fall zu weisen. Im Werke Solis' befindet sich ein Stich, der
die Enthauptung des heil. Johannes darstellt (Fig. 34). Bartsch beschreibt ihn unter Nr. 26. Links tafelt
Herodes und die Herodias, denen Salome mit dem Haupte des Johannes naht, der rechts ihrem tückischen
Anschlage erliegt. Die Bezüge des Blattes zum Bankette oder zu der Zeichnung der Gartengesellschaft
springen in die Augen. Auf Breu als den Erfinder der Komposition weisen die Gruppe um Herodes, die
Tänzerpaare, ihre Einordnung in die Bildfläche, der Baumschlag, die abschließende Mauer sowie die
Staffierung der Darstellung durch den Hund, den Affen und den Brunnen. Die Vorlage von der Hand
Breus ist mir unbekannt. Sie kann eine Zeichnung, sie kann aber auch ein mir nicht zu Gesichte ge-
kommener Schnitt gewesen sein. Dieser Ungewißheit überhebt uns die klare Sachlage betreffs der Serie
der Helden des Solis (B. 54—62) und seiner römischen Könige (B. 72—83). Hiefür ist uns das Muster
Breus erhalten, und zwar in Gestalt der Zeichnungen der Blutlinie. Geist und Komposition sind in beiden
 
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