Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 28.1909-1910

DOI issue:
I. Theil: Abhandlungen
DOI article:
Röttinger, Heinrich: Breu-Studien
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5949#0097
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
9o

Heinrich Röttinger.

Gruppen dieselben. Die Annahme eines Zusammenhanges zwischen ihnen wird durch die Beobachtung
gestützt, daß Amman, dessen persönlicher Verkehr mit Solis erwiesen ist,1 in einzelnen Figuren seiner
bayrischen Fürsten A. 15 noch ungleich näher als Solis an die Blutlinie herangeht. In einer ganzen Reihe
von Einzelgestalten (den Blättern 7, 15, 21, 24, 3o) hat er das Kompositionsschema jener, den neben die
Figur gestellten Helm und Schild, die Architektur- und Landschaftsmotive etc. genau beibehalten. Nach
dieser Feststellung gewinnt auch der Fall des Salomeblattes Solis' erhöhte Bedeutung.2 Es erscheint
erwiesen, daß Solis wie Amman eine intimere Kenntnis Breuscher Arbeiten besaßen, als ihnen die durch
den Druck allgemein zugänglichen Werke gewähren konnten.

Wie wurde ihnen diese Kenntnis vermittelt? Ein persönlicher Verkehr Breus und Ammans, um
diesen nebensächlichen Fall sofort zu erledigen, erscheint ausgeschlossen. 1521 in Zürich geboren, hatte
Amman die Schweiz erst 1560 verlassen, um sich direkt nach Nürnberg zu begeben.3 In Solis' Lebens-
geschichte — er war 1514 wahrscheinlich ebenfalls in der Schweiz geboren — klafft zwischen 1531, in
welchem Jahre Froschauer in Zürich die mit Schnitten Solis' gezierte Bibel herausgab, und seinem für
1540 erwiesenen Auftauchen in Nürnberg eine geheimnisvolle Lücke.4 Bei ihm wäre die Möglichkeit,
einige Jahre seiner Gesellenzeit in Augsburg verbracht zu haben, keineswegs ausgeschlossen. Die nachträg-
liche Verwendung von Zeichnungen der Breuschen Werkstätte, zumal solcher wie der der erst nach 1540
entstandenen Blutlinie setzt freilich ein näheres Verhältnis zu dem Augsburger Künstler nicht voraus,
wohl aber tun dies gewisse stilistische Ubereinstimmungen, die zwischen der Art des Solis und der der
Breuschen Werkstätte bestehen. In den Grundzügen sind diese wohl eine Folge der allgemeinen künst-
lerischen Entwicklung: Breu wie Solis fußen auf dem Holzschnitte der Zwanzigerjahre, wobei für Solis
wohl Holbein in Betracht kommt, den er in Zürich 1531 i7jährig kopierte; beide modifizieren diesen
Stil im Sinne des italienischen Manierismus. Daß Breu als einer der ersten diese Wandlung vollzogen
hat, wissen wir; er könnte sie ganz gut bei Solis in die Wege geleitet haben. Man halte einmal die
Breuschen Reiterkämpfe: Justinus fol. 66', Barlatius 88 und Thukydides 26 neben Solis' Schlacht vor
Troja (S. 146 der Metamorphosen Ovids von 156g) oder neben die Schlacht des Enak der Biblischen
Figuren I, fol. E4' (1562). Die Pferde (vgl. außerdem Bibl. Fig. I, F2; Ovid S. 58, 63, 68 etc.) gleichen
einander vollständig; die Krieger des Thukydidesbuches oder des Susannenblattes entsprechen den zehn
Jahre später entstandenen der Bibl. Fig. I, K, K', des Ovid 85, 91, 150. Dem Merkur des Parisblattes stelle
man Josuah und die Seinen: Bibl. Fig. I, E2 gegenüber. Die Deborah: Bibl. Fig. I, F ähnelt sowohl der
schreitenden Dame auf dem Bankette links als auch der Dame rechts der Gartengesellschaft. Vor dem
Aktäon, der in Hirschesgestalt seinen Hunden erliegt (Ovid 41), wird man sofort an die Jagdgruppe des
kleinen Lazarusblattes erinnert. Noch näher stehen der Breuschen Art die stofflich gefügigeren Schnitte
zu den Fabeln Äsops (1566). Der Gärtner fol. 5' der von Johann Postius von Germersheim paraphra-
sierten Ausgabe (Frankfurt 1566), der Zuhörer 7, der Mann mit den Kleidern auf der Achsel 74, die
beiden Männer vor dem Affenkönige (Tanzschrittstellung) 95, das Liebespaar 100 und viele andere
könnten auf Schnitten Breus erscheinen, ohne sonderlich aufzufallen. Einzelne Typen, z.B. der Beter 2',
scheinen mir sogar über den Sohn hinaus auf die Art des Vaters zurückzugehen, mit dessen späteren
Schnitten, z. B. den für die Propheceien Paracelsi, die Blätter des Solis zuweilen auch die Baumformen
gemeinsam haben (io3, 114 — fol. 19 der Paracelsus-Ausgabe von 1549).

Die Berührung Solis' mit Breu, die diese Bezüge erschließen lassen, müßte zwischen den Jahren
1535 und 1540 stattgefunden haben. In dieser Zeit ist ohne Frage auch die von Solis gestochene Salome-
geschichte Breus entstanden. Als die Blutlinie zur Ausführung gelangte, weilte Solis allerdings bereits

1 Sie hatten sich z. B. in den Auftrag auf die gestochenen Brustbilder der französischen Könige A. 14 geradezu geteilt.

4 Er steht nur in seiner Deutlichkeit vereinzelt da. Auch einige der Scherze, die Breu in die Randleisten des Augs-
burger Ehrenbuches in München verwoben hatte, kehren in Stichen Solis' wieder, darunter auch der von den Hasen am Spieß ge-
bratene Jäger. Dieser Stich sowie zahlreiche der ebenfalls an Breus Rahmenmotive gemahnenden Jagdszenen Solis' haben zudem
Leistenform.

3 Die neuesten Lebensskizzen Ammans geben P. Ganz in Bruns Schweizerischem Künstlerlexikon I, 28 ff., und Th. Hampe
in-Thieme-Beckers Lexikon I, 410 ff.

4 Vgl. E. v. Ubisch, V. Solis, Leipzig 1889.
 
Annotationen