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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 28.1909-1910

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I. Theil: Abhandlungen
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Diez, Ernst: Der Hofmaler Bartholomäus Spranger
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https://doi.org/10.11588/diglit.5949#0108
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Der Hofmaler Bartholomäus Spranger.

IOI

net man das enge geistige Band hinzu, das der Humanismus um die beiden entfernten Länder schlang,
so wird die umsichgreifende Sehnsucht nach dem Süden leicht erklärlich. Nur wenige wahrten sich in
Rom ihre heimische Art, wie der urwüchsige Peter Breughel. Die meisten glaubten in der Nachahmung
des Raffael, Michelangelo, Correggio und Tintoretto ihr Heil suchen zu müssen.

Die heimische Schulung dieser Künstler in ihren ersten Lehrjahren blieb dementsprechend von
geringem Belang für ihre spätere Ausbildung. Auch für die Erkenntnis der Entwicklungsgeschichte der
Sprangerschen Kunst wäre es ziemlich nutzlos, den Etappen seiner Lehrjahre in Antwerpen Schritt für
Schritt zu folgen, um aus der Eigenart seiner Lehrer eine richtunggebende Einwirkung auf den Schüler
abzuleiten. Die groteske Art Jan Mandyns mag auf die Phantasie des Knaben nicht ohne Eindruck ge-
blieben sein. Der kleine heute verschollene Hexensabbath, der ihm in Rom seinen ersten Erfolg
brachte, spricht dafür. Seine beiden anderen Lehrmeister, Frans Mostaert und Cornelis van Dalem,
kommen für seine spätere Kunst nicht in Betracht. Richtunggebend waren für ihn dagegen die Stiche
Parmigianinos und Floris', die er auf Anraten seines Freundes Wickram in Kohlen- und Kreidezeich-
nungen kopierte. Er folgte damit einer allgemeinen Übung der Kunstjünger seiner Zeit, die, ohne sich
das Studium der Natur angelegen sein zu lassen, ja ohne wenigstens die Originale anerkannter Meister
zu kopieren, diese sekundären Vorlagen wählten, um sich möglichst rasch Handfertigkeit im Entwerfen
von Figuren und Kompositionen anzueignen. Es fällt auf, daß van Mander von etwaigen Natur-
studien Sprangers kein Wort sagt, obwohl er diese Übung bei anderen Künstlern, wo immer er sie be-
obachten konnte, ausdrücklich erwähnt. Sein ungewöhnliches Zeichentalent, das ihn rasch eine große
Geschicklichkeit gewinnen ließ, mag seine geringe Meinung von der Notwendigkeit des Naturstudiums
gestärkt haben und prädestinierte ihn dazu, in der nordischen Kunst seiner Zeit eine erste Rolle zu
spielen.

Auch die Umgebung, in der Spranger aufwuchs, die prächtige, reich aufblühende Scheidestadt,
mußte auf ihn einen dauernden Eindruck machen. Wir verdanken Gustav Glück ein treffendes Bild
des künstlerischen Kulturlebens Antwerpens im XVI. Jahrhundert und seiner starken Wirkung auf die
Kunst.1 Die vielen Triumphzüge und Feierlichkeiten, die prächtig inszenierten Schauspiele und Fast-
nachtsbankette mit ihren Häufungen von allegorischem Brimborium, das der Humanismus zeitigte,
bereiteten einen den äußeren Dekor betonenden Stil der Malerei vor. Die kostbaren maskeradeartigen
Trachten, die manierierten schauspielerhaften Gebärden und die kräftige, oft grelle Farbengebung nah-
men die Künstler von der Straße. Der Manierismus, der Theaterstil der Malerei konnte nirgends sonst
im Norden so fruchtbaren Boden finden als hier.

Die kurze Pariser Lehrzeit bei dem Miniaturenmaler Marc Duval, dem «dessinateur dans le grand
goüt», wirkte auf Spranger sicherlich nicht vertiefend. Auch hier bildete er sich aus zweiter Quelle
weiter, indem er «sechs Wochen lang nichts anderes als Porträte nach den Crayons seines Meisters»
ausführte. Hier eignete er sich wohl jene Übung in der Anfertigung von miniaturenartigen Bildchen
an, die er später in Diensten Pius V. und Rudolfs II. nützte.

In Parma kam Spranger endlich in den Bannkreis der von Correggio abgeleiteten Kunst des Par-
migianino und der anderen Parmeser Meister, von denen Girolamo Mazzola, Michelangelo Anselmi
und Giorgio Gandini hervorgehoben seien. Die durch das hinreißende Temperament und mächtige
Grundgefühl glaubhaft motivierten Bewegungen und Gebärden der Gestalten Correggios sind in den
Werken dieser Maler bereits leer und posenhaft geworden. Ihre Bewegungen sind nicht mehr unmittel-
bare, den Beschauer packende, sondern stilisierte Gefühlsausdrücke. Die Gefühle werden von ihnen
in dekorativer Weise hingezeichnet. Sie gleichen darin sehr stark einem modernen Meister: Fernand
Khnopff. Die Madonna mit dem Kinde von Gandini in der Galerie zu Parma (Fig. 3) könnte beinahe
von Khnopff gezeichnet (wenn auch nicht gemalt) sein. Gandini hat die letzten Konsequenzen aus die-
ser gefühlsstilisierenden Richtung gezogen und dekorative Wirkungen erzielt, die modern anmuten.
Schulemachend blieb jedoch der kräftigere Parmigianino, dessen Stil vor allem auch die Zuccheri in

1 Beiträge zur Geschichte der Annverpner Malerei im XVI. Jahrhundert: Jahrbuch XXII.

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