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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 29.1910-1911

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I. Teil: Abhandlungen
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Dodgson, Campbell: Drei Studien
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https://doi.org/10.11588/diglit.6176#0013
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Drei Studien.

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Gegenstände hätte. Im Weisskunig1 wird des Hinscheidens der Königin mit wenigen Worten gedacht;
dargestellt sind nur Folgen des Todes: die Beerdigung und die Totenmesse. Ich glaube nun eine Dar-
stellung des Hauptmoments im Drama, des fatalen Unglücks auf der Jagd im Frühjahre 1482, das den
vorzeitigen Tod der jungen Königin verursachte, von der Hand eines Augsburger Künstlers aus der
Zeit Maximilians entdeckt zu haben.

Den Fund verdanke ich dem Zufall. Im November 1906 fand ich beim Durchblättern der reichen
Sammlung von Kopien und Nachbildungen der Werke Dürers aus der Sammlung Klugkist in der Kunst-
halle zu Bremen unter Nr. 2240 eine ziemlich schwache Lithographie, etwa aus der Mitte des XIX. Jahr-
hunderts, folgenden Inhalts. Links steht ein Fürst im Jagdkostüm, die Hände ringend; in der Mitte
liegt eine anscheinend sterbende Frau, über deren Haupt sich ein Mann zeigt; rechts steht ein heiliger
Mönch, im Profil nach links, der die Sterbende segnet; hinter ihm steht ein Jäger, der die Rechte auf
die Wange legt. Im Vordergrund stehen zwei Hunde nach rechts gewendet; hinter einem Baume werden
einige Jäger, eine Magd und der Kopf eines Pferdes
sichtbar. Unter der Darstellung, welche 202:146 mm
mißt, hatte Klugkist folgende Notiz mit Bleistift ge-
schrieben: «Ad H[eller] 2436. Maria von Burgund
sterbend, ihr erscheint ein Heiliger der sie segnet,
Max I. steht daneben. Bild von Dürer 2 f. h., ilj2 f.
br. ganz gut erhalten, ohne Retouchen, beim Buch-
händler Kuntze in Maintz zu 5000 .... [unleser-
lich] zu haben.» Das Blatt, das ich gern hätte hier
abbilden lassen, ist leider verschollen. Herr Direk-
tor Pauli teilte mir im Jahre 1908, als ich um eine
Photographie bat, mit, daß es im Laufe einer Neu-
ordnung des Dürerwerkes, die mittlerweile gesche-
hen war, als wertlos ausgeschieden oder sonst spur-
los verschwunden sei. Ich mußte mich demgemäß
mit meiner ausführlichen Notiz trösten. Künstle-
risch war das Blatt gewiß wertlos; mit Dürer hatte
seine Vorlage gar nichts zu tun; aber als Abbil-
dung eines sonst unbekannten Bildes von geschicht-
lichem Interesse hatte es doch einen ikonographischen Wert und ist sein Verlust zu bedauern. Es
können natürlich andere Exemplare auftauchen; doch ist anzunehmen, daß der offenbar von einem
Dilettanten ausgeführte Steindruck in keiner sehr großen Auflage erschien.

Mein Interesse hat eigentlich an erster Stelle der Umstand beansprucht, daß die Hauptgruppe
der Lithographie mit der Gruppe von vier Personen auf einem Holzschnitt von Hans Weiditz — nur im
Gegensinne — identisch ist und daß die sehr plausible Deutung des dargestellten Sujets den bisher ver-
geblich gesuchten Leitfaden zur Deutung des Holzschnittes gab. Die hier (Fig. 3) abgebildete Illustration
von Weiditz befindet sich als Nr. 50 in den zirka dreißig Jahre nach der Entstehung der Holzstöcke von
Egenolff in Frankfurt a. M. gedruckten Sanctorum et Martyrum Christi Icones quasdam artiriciosissimse,
l55I> 8°-2 Von mehreren Holzschnitten der Icones sind frühere Verwendungen bekannt, andere kommen
als Probedrucke ohne Text vor; von dem betreffenden sind mir aber keine früheren Drucke bekannt als
die nicht mehr ganz scharfen von 1551. Im Buche hat diese Illustration die Überschrift «Bernhardus»,
die aber keineswegs als zuverlässig gelten darf. In vielen Fällen sind nämlich Egenolffs Deutungen
der Gegenstände nachweisbar falsch. Nr. 3y: «Dominicus» sollte Bernardinus, Nr. 42: «Vitus» sollte
wahrscheinlich Johannes ante portam latinam heißen; Nr. 49: «Victor» ist Ambrosius; Nr. 52: «Bene-

1 Jahrbuch VI, S. 169.

2 Röttinger, Hans Weiditz, der Petrarcameister, Nr. 27 (B a 4).

Fig. 3. Holzschnitt von Hans Weiditz.
Aus Sanctorum et Martyrum Christi Icones, 1551.
 
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