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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 29.1910-1911

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I. Teil: Abhandlungen
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Giehlow, Karl: Dürers Entwürfe für das Triumphrelief Kaiser Maximilians I. im Louvre: Eine Studie zur Entwicklungsgeschichte des Triumphzuges
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https://doi.org/10.11588/diglit.6176#0059
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Dürers Entwürfe für das Triumphreüef Kaiser Maximilians I. im Louvre.

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die ewige Treue allegorisiert.1 Indes läßt die Möglichkeit, den Ring als Ideogramm der «fides» aufzu-
fassen, die Frage offen, ob dann nicht die anderen Figuren auch die «spes» und «Caritas» darstellen
sollen. Die drei Tugenden würden dann die vier anderen «angeltugenden» ergänzen, die «an den vier
orten» des kaiserlichen Triumphwagens auf Postamenten besonders hervorgehoben sind. Man sieht, ohne
schriftlichen Hinweis oder besonderen Zusammenhang wird man schwer Pirckheimers Spitzfindigkeiten
restlos ergründen.

Um so besser steht es mit dem Sinnbilde des Granatapfels, der, als wirkliche Frucht oder als Or-
namentbestandteil dargestellt, dem Wagen die reiche Dekoration verleiht. Er wurde vom Kaiser keines-
wegs als Symbol des Überflusses gewählt, sondern, wie Johann Jakob Fugger berichtet, als Erinnerung
an die 1492 erfolgte Eroberung Granadas durch Ferdinand von Arragon zu dessen Ehren geführt.2 Zu-
nächst hatte der Granatapfel also lediglich die Bedeutung eines redenden Wappens. Als solches findet
er sich im Triumphzuge auf dem gewaltigen Geschütz der «Artalerei» und an der Seitenwand eines
der mit den Schätzen beladenen Wagen, im ganzen jedoch nur zweimal, angebracht. Man hat allen
Grund, dieselbe spärliche Verwendung auch auf der «alt Eernporten» anzunehmen; denn die Bedeutung,
die dem «marggranopfeh als Kaiser Maximilians «diviß oder liberei» im Texte der Ehrenpforte von
Stabius beigemessen wird, hat er erst durch das Spintisieren des Nürnberger Humanisten bekommen.
Sie entspringt den hieroglyphischen Studien, die aus der «vis ac natura» des dargestellten Gegenstandes
das ewige Ideogramm abzuleiten sich bestreben. Dementsprechend heißt es dort, nachdem ohne Beziehung
auf das historische Ereignis hervorgehoben wurde, daß «seine majestat» den Granatapfel «in der jugent
erwellet», weiter über den ihm später unterlegten Sinn folgendermaßen: «Wiett'ol ain marggranopfel
auswendig nit sonder lieblich befließung noch stießen geruch hat, so ist er doch innwendig mit vil edler
mildigkeit und wohlgemachten koernern begäbet, als auch sein kaiserlich majestät ir fürgesetzt hat,
dergleichen verporgen schicklichkeit, mildigkeit mit der zeit nacheinander teglich zu pflanzen und zu
offenbaren.»

Maximilian muß diese Klügelei sehr gut gefallen haben; denn auf den von Dürer und seinen Ge-
hilfen gezeichneten Teilen der Ehrenpforte kehrt der Granatapfel mit Vorliebe wieder; nicht anders im
Triumphzuge auf den in Nürnberg entworfenen Gruppen. Auf dem kleinen Triumphwagen mag er
sogar noch eine weitere Bedeutung als Füllung der doppelhenkeligen Vase erhalten haben, die vor dem
von fackeltragenden Liebesgöttern gehaltenen, das junge Ehepaar beschirmenden Baldachine steht.
Andrea Alciati nämlich, der humanistische Jurist und Schöpfer der Emblematik, der fast um die gleiche
Zeit seine allegorischen Epigramme aus denselben Quellen wie Pirckheimer seine Sinnbilder zu schöpfen
pflegt, hat einem allerdings erst später veröffentlichten Verse den Brauch der Alten zugrunde gelegt,
Neuvermählten eydonische Apfel ins Hochzeitsgemach mitzugeben.3 Das dem Epigramme gewöhnlich
beigegebene Bild stellt daher einen Liebesgott dar, der einen Korb solcher Früchte trägt, während ein
anderer die Hochzeitsfackel hält. Der Italiener hat aber als Gewährsmann für diese Sitte den von Pirck-
heimer besonders hochgeschätzten Plutarch, der sie in den bereits um 1510 erschienenen -i\>.\>::/.y. r.y.zv:;-
"jiX|A0tTa beschreibt.4 Bei der Ähnlichkeit des eydonischen Apfels, auf gut deutsch der Quitte, mit den
Granatfrüchten lag es somit für den deutschen Humanisten nicht ferne, durch eine mit ihnen gefüllte
Vase auf die Hochzeitsfeier anzuspielen. Auch auf der «spanischen Heirat» (Blatt 105) wird eine Schale
mit Blumen dargebracht, während die drei Tugenden freie Kopien Dürers sind.

1 Vgl. Valeriano a. a. O., p. 3o3, De annulo. Die Kreisform galt als Symbol der Ewigkeit.

2 Vgl. die Fugger-Handschrift der k. k. Hofbibliothek zu Wien, Band II, S. 314. Unter den *Libereien, welche der
löblich kaiser in der zeit seines lebens gefiert und gebrauchet hat», heißt es vom Granatapfel: 'Die granatapfel haben ir maje-
stat Ferdinande, dem kunig zu Arragonien und Sicitien, als er das reich und die stadt Granada genommen, zu ehren gefiert.»
Thausing, Dürer II, S. 152, deutet ihn als Symbol des Überflusses auf Maximilians Gemälde von Dürer aus dem Jahre 1519.

• Ober Alciatis hieroglyphische Studien handelt die S. 52, Anm. 2, erwähnte Abhandlung im Anschluß an Filippo Fasa-
ninis Horapollon-Cbersetzung und Erläuterung. Den cotoneischen oder eydonischen Äpfeln gilt ein Epigramm in der bei Aldus
Söhnen 1546 erschienenen Emblemata-Ausgabe; vgl. Henry Green, Andrea Alciati and his book of emblems, London 1872, p. 320.

4 Plutarch als Quelle ist in der paduanischen Ausgabe der Emblemata vom Jahre 1621, p. 821, erwähnt. Ein griechi-
scher Druck des Werkes wird im Katalog des British Museums in die oben angegebene Zeit verlegt.

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