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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 29.1910-1911

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I. Teil: Abhandlungen
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Giehlow, Karl: Dürers Entwürfe für das Triumphrelief Kaiser Maximilians I. im Louvre: Eine Studie zur Entwicklungsgeschichte des Triumphzuges
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https://doi.org/10.11588/diglit.6176#0058
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Karl Giehlow.

Im Frühjahre 1516, als Stabius den «merer teil der triumphfiguren» Peutinger zur Weitervertei-
lung an die Holzschnittzeichner übergab, bereitete sich für den größten Teil der in Nürnberg zurück-
behaltenen Miniaturen und also auch für den 1512 fertiggestellten, bis dahin noch von Maximilian gut-
geheißenen Entwurf des Triumphwagens eine Umgestaltung vor, die sich mit den Veränderungen an
der Ehrenpforte im Jahre 1514 vergleichen läßt. Auch diesmal ging der Anstoß von den Humanisten,
nicht vom Kaiser aus, der jedoch später, im Gegensatz zu seinem Verhalten beim ersten Anblick der
«■neuen Eernporten», sofort die veränderten Teile des Zuges mit Freuden seinem Werke einreihte. Es ist
dies bei der Datierung der Skizzen Dürers für das Triumphrelief nicht weniger zu beachten als die stili-
stischen Veränderungen, welche der Mitte März 1518 fertiggestellte Entwurf Dürers im Vergleich mit
den «andern wegen» zur Schau trägt.

Der nach Dürers «visir» im Rathause zu Nürnberg 1521 gemalte Triumph-
wagen Kaiser Maximilians I. und der Holzschnitt von 1522.

Maximilians Äußerung beim Anblick des von Pirckheimer neu erdachten Triumphwagens: «er
muß uns noch etwaß mer machen-» läßt zunächst an den sogenannten kleinen Triumphwagen denken,
der die Heirat des Kaisers mit Maria von Burgund verherrlicht (vgl. Fig. 15). Er ist von Dürer voll-
ständig ausgeführt und voll von Allegorien des gelehrten Ratsherrn. Anderseits machen darüber die
Worte Maximilians im offiziellen Antwortschreiben: «sein auch der mainung, in kurz ain andre arbait
für uns zu nehmen, darin wir dich gebrauchen wollen», wieder stutzig.1 Es scheint damit ein umfang-
reicherer Auftrag gemeint zu sein, der sich entweder auf eine größere Umgestaltung des Zuges, wie die
Reiterskizzen der Albertina sie andeuten, oder überhaupt auf einen neuen literarisch-künstlerischen
Plan beziehen mag. Doch sei dem wie ihm wolle, sicher entstand der kleine Triumphzug später als die
im März 1518 vollendete Zeichnung. Ihr Wagen hätte nicht in vollem Sinne als eine «neue erfin-
dung» bezeichnet werden können, wenn jener mit seinen mannigfaltigen Ubereinstimmungen ihr vor-
ausgegangen wäre. Im anderen Falle bestätigen diese Wiederholungen nur den Beifall des Kaisers.

Eine solche ist vor allem der Gedanke, vorne auf hohem Kutschbock wieder eine weibliche Gestalt
als «ainen furman und weglaiter» anzubringen. Diesmal ist sie jedoch geflügelt, hält in der Linken einen
Lorbeerkranz und zügelt mit der rechten Hand vier sich wild bäumende Rosse. Diese auffallende Dar-
stellungsweise wurde mit demselben Bedacht gewählt, wie ihn die Hirsche auf Springinklees Holzschnitt
zeigen, der die Heirat Philipps des Schönen mit Johanna von Spanien symbolisiert. Sind die Hirsche
die Sinnbilder des sehnsüchtig dürstenden Verlangens, so versinnbildlichen die Pferde die Leidenschaf-
ten, die durch die Vernunft siegreich gebändigt werden.2 Es gelangt hiermit der Gedanke von Maximilians
«reimen: halt maß» zum Ausdruck. Die Beobachtung, daß die iNemesis» auf Dürers Kupferstich außer
dem Zaumzeug auch einen Mischbecher als Zeichen der sie verhütenden Mäßigkeit hält,3 könnte dahin füh-
ren, in dem einen, dasselbe Symbol haltenden WTeibe, das mit zwei anderen auf einer Plattform hinter
der Lenkerin steht, die Tugend der «temperantia» zu erblicken, während der Ring in der Hand der dritten

1 Vgl. über die beiden Briefstellen vorher, S. 44 sowie den Anhang, Nr. 10 und Ii. — Fig. 15 entspricht Bl. 89 und 90
bei Schestag.

2 Auch im Gebetbuch Maximilians finden sich die Rosse als Sinnbild der Leidenschaften; vgl. die Zeichnung Baidungs
auf Blatt 6or der neuen Faksimile-Ausgabe. Über die Hieroglyphe des Pferdes handelt ausführlichst Pierio Valeriano Bolzanio
in seinen Hieroglyphica, Basileae 1556, p. 36. Er zitiert dort den Psalm XXXI: «Xolite fieri sicut equus et mulus, quod ita
exposuerunt interpretes: nolite amore mulierum fitrere, sicut infrenes equi.» Über Valeriano vgl. die 1908 erschienenen Vasari-
studien von Wolfgang Kailab, mit einem Lebensbilde des Verfassers herausgegeben von Julius von Schlosser, S. 22 ff. Die
Ausführungen dort beruhen auf der bereits 1902 für eine Sonderausgabe des Jahrbuches größtenteils schon gedruckten, aber
auch heute noch nicht abgeschlossenen Abhandlung: Die Hieroglyphenkunde des Humanismus in der Allegorie der Renais-
sance, die Kailab zur Verfügung gestellt worden war. Ein plötzlicher Tod hat den gewissenhaften Gelehrten daran gehindert,
die Quelle anzuführen. — Der Hirsch war in der Renaissance auf Grund des bekannten Psalms ein beliebtes Symbol der
Liebe; so hat Correggio auf dem Bilde «Jupiter und Jo» rechts unten den Kopf eines trinkenden Hirsches angebracht.

J Vgl. darüber den Aufsatz: Poliziano und Dürer, in den Mitteilungen zu den graphischen Künsten 1902, Nr. 2, S. 25.
 
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