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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 29.1910-1911

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I. Teil: Abhandlungen
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Pollak, Oskar: Studien zur Geschichte der Architektur Prags 1520-1600
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https://doi.org/10.11588/diglit.6176#0111
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Oskar Pollak.

und horizontalen Gesimse, die schon viel mehr Renaissancegesimsen angeähnelt sind, als dies am
Neustädter Rathause der Fall war, und die dort, wo sie sich schneiden, und dort, wo die Bogenteile an-
setzen, kapitälartige Gebilde tragen.

Auf welchem Punkte der Entwicklung der Hausbau in Prag nach dem Jahre 1541 stand, können
wir an zwei Palästen am Hradschin bemessen, die ihre Entstehung gerade dem Brande jenes Jahres ver-
danken. Der erste von diesen beiden ist das ehemals Slawatasche Haus an der neuen Schloßstiege,

das heute als Rückgebäude zum
Palais Thun (in der Spornergasse)
gehört (Fig. 16). Von Ruth1 er-
fahren wir, daß das früher an dieser
Stelle befindliche Haus 1532 vom
Vizekanzler Georg Zabka von Lim-
berg gekauft wurde und 1541 ab-
brannte; Joachim von Neuhaus
kaufte es mit der benachbarten
Brandstätte und ließ hier den heu-
tigen Palast errichten, als dessen
Vollendungsdatum etwa das Jahr
1550 angegeben wird.2 Für das
architektonische Gerüst dürfte dies
wohl stimmen; wirklich vollendet
wurde der Palast erst im Jahre
1564.3 Im Jahre 1602 ging das
Haus durch Heirat an Wilhelm von
Slawata über.

Die Fassade ist ganz ein-
fach: die Fenster sind regelmäßig
eingesetzt und von einfach, aber
renaissancemäßig richtig profilier-
ten, rechteckigen Rahmen mit Sohl-
bank und geradem Sturz eingefaßt.
Diese einfache Fensterform hat sich
fest eingebürgert und wurde fast
durchgängig bis zum Ende des
XVI. Jahrhunderts verwendet.

Der einzige architektonische
Fig. 20. St. Veitsdom, Orgelchor. Schmuck dieses riesigen Palastes

ist dem Dache vorbehalten: in der

Mitte erhebt sich ein mächtiger, in sechs Stufen aufsteigender Giebel, an den sich beiderseits in un-
symmetrischer Folge und Form eine Reihe von giebelartig behandelten Zwerchhäusern anschließen.
Der große Giebel wird von senkrechten, in profilierte Knäufe endigenden Mauerstreifen unterteilt (Er-
innerung an gotische Fialen!); diese werden von wagrechten gesimsartigen Streifen geschnitten, die sich
über den Schnittpunkten zu kapitälartigen Bildungen verkröpfen. Dieses Grundgerüst bildet also einen
richtigen Treppengiebel, dessen leere Winkel aber durch Mauerstücke ausgefüllt sind, die einen ein-

1 Kronika kr. hl. mSsta Prahy III, p. 1046.
s Herain, Alt-Prag, S. 153.

3 Die obere Bronze-Wappentafel am Mittelgiebel hat folgende Inschrift: «Respice finem. 1564. Joachimus Baro de
Novo Domo et in Fraumberg, eques aurei velleris, sacrae caesareae majestatis a cubiculis et consiliis secretioribus. — Anna
Domina in Novo Domo de Familia ab Domo Hieronim. de Rosis Progenita.»
 
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