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Arpad Weixlgärtner.
Dem nächstjüngeren Kartenspiel der Sammlung dagegen (Inv.-Nr. 5077—5124, Taf. XXVI)
müssen hier einige Worte gewidmet werden. Es ist zwar ausführlich publiziert,1 hat aber doch wahr-
scheinlich infolge der ungenügenden Abbildungen in der kunstgeschichtlichen Literatur keine Rolle ge-
spielt. Franzenshuld hat in seinem Aufsatze zwar den antiquarischen Gehalt des Spieles erschöpft,
sich aber, was dessen Lokalisierung
iih ■ Hi^-^gf^v^ und Datierung betrifft, damit begnügt,
das zu wiederholen, was Passavant
(I, 15 und 16) über die Karten sagt:
«Si nous en jugeons par le style artis-
tique, elles appartiennent ä la seconde
moitie du XV0 siecle et se rapportent ä
l'ecole du maitre E. S. qui florissait vers
1466.» Diese Bestimmung nun läßt
sich vielleicht mithilfe von Schlüssen,
die sich aus dem Spiele selbst ergeben,
durch eine genauere ersetzen. Schon
die Zusammenstellung der die Farben
bildenden Länderwappen: römisches
Reich deutscher Nation, Ungarn, Böh-
men und Frankreich, wirft die Frage
auf, ob die zur österreichisch-ungari-
schen Monarchie solche Beziehungen
zeigenden und von altersher in Oster-
reich in kaiserlichem Besitz befind-
lichen Karten nicht in der durch Stil
und Tracht angegebenen Zeit, näm-
lich um die Mitte des XV. Jahrhun-
derts, für irgendeine Persönlichkeit aus
den österreichischen Herrscherkreisen
entstanden sein könnten. Tatsächlich
findet sich eine solche Persönlichkeit
in Ladislaus Postumus, dem Sohne
Fig. 1.
«Mul Hanß», Gestalt aus dem 1502 von Thomas Murner publi-
zierten «Charbiludium».
Wieu. Hofmuseum.
Die vorzüglichen Landschaften wirken fast wie
Stimmungsbilder, überraschend gut sind die
Tiere gezeichnet. Insbesondere die Karten mit
den Reihern in den Landschaften erinnern an
die besten Werke japanischer Künstler. — Max
Geisberg hat jüngst (in den Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Heft l32: Das Kartenspiel der königl. Staats- und Alter-
tümer-Sammlung in Stuttgart, Straßburg 1910) ein Kartenspiel veröffentlicht, dessen allernächster Verwandter zweifellos das
Spiel Karten in der kaiserlichen kunstindustriellen Sammlung ist (Geisberg, 1. c, S. 12).
1 Von Ernst Hartmann Edlem von Franzenshuld unter dem Titel: Ein höfisches Kartenspiel des XV. Jahrhunderts, in
diesem Jahrbuch, Bd. 1 (1883), 101 ff. und Bd. II (1884), 96 ff. — Henry Rene d'Allemagne wiederholt in seinem Sammel-
surium: Les cartes ä jouer en XIVC au XXe siecle, Paris 1906, 2 Bde., Bd. I, 54 ff., gänzlich unkritisch die Ausführungen
Franzenshulds. Ebenso reproduziert er auf der Tafel nach S. 56 des I. Bandes aus Franzenshulds Aufsatz das Vollbild mit
dem ReichstruchsetJ, dem ungarischen Küchenmeister, dem böhmischen Kammermeister und dem französischen Schenken
(1. c. I, nach S. 114). — Ohne weiter im Text berücksichtigt zu sein, sind von der ungarischen Farbe vier Blätter (die Närrin,
der Bäcker, der Fischer und der Trompeter) farbig abgebildet auf Tafel LXXX des II. Teiles des ungarischen Prachtwerkes,
dessen Veranlassung die Millenniumsausstellung im Jahre 1896 war (Magyar-orszäg törteneti emlekei. Az 1896 evi ezredeves
orsz. kiallitäson. Szerkeszti Szalay Imre) und acht (vier — der Marschall, der Hofmeister, der Küchenmeister und der König —
farbig und die vier oben angeführten in einfarbigen Holzschnitten) auf den Tafeln 2 und 3 des II. Bandes eines anderen un-
garischen, auch französisch erschienenen Werkes: Magyar Miikincsek. Chefs-d'ceuvre d'art de la Hongrie. Redige par
Eugene Radisics, Budapest 1899.
Arpad Weixlgärtner.
Dem nächstjüngeren Kartenspiel der Sammlung dagegen (Inv.-Nr. 5077—5124, Taf. XXVI)
müssen hier einige Worte gewidmet werden. Es ist zwar ausführlich publiziert,1 hat aber doch wahr-
scheinlich infolge der ungenügenden Abbildungen in der kunstgeschichtlichen Literatur keine Rolle ge-
spielt. Franzenshuld hat in seinem Aufsatze zwar den antiquarischen Gehalt des Spieles erschöpft,
sich aber, was dessen Lokalisierung
iih ■ Hi^-^gf^v^ und Datierung betrifft, damit begnügt,
das zu wiederholen, was Passavant
(I, 15 und 16) über die Karten sagt:
«Si nous en jugeons par le style artis-
tique, elles appartiennent ä la seconde
moitie du XV0 siecle et se rapportent ä
l'ecole du maitre E. S. qui florissait vers
1466.» Diese Bestimmung nun läßt
sich vielleicht mithilfe von Schlüssen,
die sich aus dem Spiele selbst ergeben,
durch eine genauere ersetzen. Schon
die Zusammenstellung der die Farben
bildenden Länderwappen: römisches
Reich deutscher Nation, Ungarn, Böh-
men und Frankreich, wirft die Frage
auf, ob die zur österreichisch-ungari-
schen Monarchie solche Beziehungen
zeigenden und von altersher in Oster-
reich in kaiserlichem Besitz befind-
lichen Karten nicht in der durch Stil
und Tracht angegebenen Zeit, näm-
lich um die Mitte des XV. Jahrhun-
derts, für irgendeine Persönlichkeit aus
den österreichischen Herrscherkreisen
entstanden sein könnten. Tatsächlich
findet sich eine solche Persönlichkeit
in Ladislaus Postumus, dem Sohne
Fig. 1.
«Mul Hanß», Gestalt aus dem 1502 von Thomas Murner publi-
zierten «Charbiludium».
Wieu. Hofmuseum.
Die vorzüglichen Landschaften wirken fast wie
Stimmungsbilder, überraschend gut sind die
Tiere gezeichnet. Insbesondere die Karten mit
den Reihern in den Landschaften erinnern an
die besten Werke japanischer Künstler. — Max
Geisberg hat jüngst (in den Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Heft l32: Das Kartenspiel der königl. Staats- und Alter-
tümer-Sammlung in Stuttgart, Straßburg 1910) ein Kartenspiel veröffentlicht, dessen allernächster Verwandter zweifellos das
Spiel Karten in der kaiserlichen kunstindustriellen Sammlung ist (Geisberg, 1. c, S. 12).
1 Von Ernst Hartmann Edlem von Franzenshuld unter dem Titel: Ein höfisches Kartenspiel des XV. Jahrhunderts, in
diesem Jahrbuch, Bd. 1 (1883), 101 ff. und Bd. II (1884), 96 ff. — Henry Rene d'Allemagne wiederholt in seinem Sammel-
surium: Les cartes ä jouer en XIVC au XXe siecle, Paris 1906, 2 Bde., Bd. I, 54 ff., gänzlich unkritisch die Ausführungen
Franzenshulds. Ebenso reproduziert er auf der Tafel nach S. 56 des I. Bandes aus Franzenshulds Aufsatz das Vollbild mit
dem ReichstruchsetJ, dem ungarischen Küchenmeister, dem böhmischen Kammermeister und dem französischen Schenken
(1. c. I, nach S. 114). — Ohne weiter im Text berücksichtigt zu sein, sind von der ungarischen Farbe vier Blätter (die Närrin,
der Bäcker, der Fischer und der Trompeter) farbig abgebildet auf Tafel LXXX des II. Teiles des ungarischen Prachtwerkes,
dessen Veranlassung die Millenniumsausstellung im Jahre 1896 war (Magyar-orszäg törteneti emlekei. Az 1896 evi ezredeves
orsz. kiallitäson. Szerkeszti Szalay Imre) und acht (vier — der Marschall, der Hofmeister, der Küchenmeister und der König —
farbig und die vier oben angeführten in einfarbigen Holzschnitten) auf den Tafeln 2 und 3 des II. Bandes eines anderen un-
garischen, auch französisch erschienenen Werkes: Magyar Miikincsek. Chefs-d'ceuvre d'art de la Hongrie. Redige par
Eugene Radisics, Budapest 1899.