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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 29.1910-1911

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I. Teil: Abhandlungen
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Schrader, Hans: Robert von Schneider: geboren am 17. November 1854, gestorben am 24. Oktober 1909
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https://doi.org/10.11588/diglit.6176#0403
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Robert von Schneider.

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günstigeren Bedingungen hätte leisten können, zeigte die von ihm in dem schlichten, wohlbeleuchteten
Innenraume des Theseustempels im Volksgarten im Jahre 1901 durchgeführte vorläufige Ausstellung
von Fundstücken aus Ephesos, die leider, wegen der den Objekten schädlichen Feuchtigkeit des Rau-
mes, im Herbst 1910 aufgelöst werden mußte. Meisterhaft hat er es verstanden, die ungleichen Bestand-
teile dieser kleinen Sammlung durch wohlberechnete Anordnung zu reichem und doch harmonischem
Gesamteindruck zusammenzustimmen, die edle Würde tiefdunkler Bronze und mild leuchtenden Mar-
mors durch die Pracht der aus ephesischem Baumaterial gewonnenen bunten Steinpostamente zur Gel-
tung zu bringen. Wer in diesen Raum eintrat, fand sich alsbald gefangen durch den Zauber einer ge-
ruhigen Heiterkeit, fühlte etwas vom Lebensodem der Antike; nur ein Mann, dem, wie Schneider,
die klassische Kunst lebendiger Besitz war, konnte ihr dieses Heiligtum voll Adel und Stimmung
schaffen. Daß die zweite vorläufige Aufstellung ephesischer Skulpturen im unteren Belvedere (1905)
nicht ein gleich erfreuliches Ergebnis lieferte, lag hauptsächlich in dem für die mäßig großen Räume
allzu gewaltigen Maßstabe der Reliefs vom Ehrendenkmal Mark Aurels, die diese Sammlung be-
herrschen. Pläne für eine endgültige Aufstellung dieser wie der übrigen ephesischen Fundstücke hat
R.V.Schneider vielfach erwogen, wie ihm auch eine würdigere Unterbringung des seinerzeit aus Raum-
not im Untergeschoß des Hofmuseums vorläufig aufgestellten Frieses von GjÖlbaschi von jeher am
Herzen lag. Nur eine beträchtliche Erweiterung der im Kunsthistorischen Hofmuseum den Antiken ge-
widmeten Räume hat er noch selbst durchzusetzen vermocht — die Zuteilung des größeren der beiden
früher der Münzsammlung zugewiesenen Säle, die durch Verlegung dieser Sammlung in das zweite
Stockwerk ermöglicht wurde.

Der Vermehrung der Antikensammlung waren durch die Knappheit der zur Verfügung stehenden
Mittel enge Grenzen gesetzt. Es ist bewundernswert, wie viel Schneider trotzdem erreicht hat. Schen-
kungen von Gönnern der Kaiserlichen Kunstsammlungen kamen ergänzend hinzu, wie denn Schneiders
liebenswürdige Persönlichkeit, sein durchgebildeter Geschmack, seine auf tiefgründigem Wissen ruhende
Bildung in dem Kreise verständnisvoller Sammler und Liebhaber werbende Kraft ausüben mußte. Alle
Abteilungen der Sammlung sind so durch Käufe, Schenkungen, gelegentlich wohl auch einen glück-
lichen Tausch, bereichert worden; darunter finden sich nicht wenige Stücke ersten Ranges. Ich nenne
unter den Marmorskulpturen die berühmten Brunnenreliefs aus dem Palazzo Grimani, die Artemis-
statuette von Larnaka, das früher der Prager deutschen Universitätssammlung gehörige archaistische
Hekataion, das Dolonrelief, das Mithrasrelief aus Aquileja; unter den Bronzen die beiden altkretischen
männlichen Figürchen, die, lange vor den großen Ausgrabungen auf der Insel erworben (1882), in
den kontinentalen Sammlungen wenig ihres Gleichen haben dürften, die Applique in Gestalt eines
hockend schlummernden Negerknaben — ein Meisterwerk des noch halb gebundenen Stiles —, die statt-
liche Apollonstatuette aus Siebenbürgen, eine freie Replik des sogenannten Thermen-Apolls, die schöne,
auf ein Original des IV. Jahrhunderts v. Chr. zurückweisende Heraklesstatuette aus Ungarn; unter
den Werken der Keramik den prächtigen bemalten Tonsarkophag aus Klazomenai. Die Bescheidenheit
der vorhandenen Mittel, vielleicht auch ein lebhaftes Interessse für die Erzeugnisse der Kleinkunst ver-
anlaßte Schneider, sein Augenmerk besonders auf die Abrundung der Vasen-, Terrakotten- und Bron-
zensammlung zu richten, und unter diesen waren es wiederum die Bronzen, die er am höchsten schätzte
und — als sollte so viel Liebe belohnt werden — mit auffallendem Glück zu erwerben wußte. Ich
müßte eine ermüdend lange Liste hersetzen, um dies zu erhärten; sicher ist, daß Schneider die Bron-
zensammlung nach allen Richtungen hin mit feinstem Verständnis ausgebaut und durch eine Fülle
hervorragender Stücke bereichert hat. Zu seinen Lieblingsideen gehörte der Plan, die schönsten und
wichtigsten unter den von ihm erworbenen Bronzen in Heliogravüren zu veröffentlichen, in einer Serie
kurzer Aufsätze von der Art der prächtigen Studien, die er in diesem Jahrbuch über antike Bronzen der
kaiserlichen Sammlung veröffentlicht hat, — ein Plan, dessen Ausführung leider die Geschäftslast der
letzten Jahre verhindert hat.

Schneiders schriftstellerische Tätigkeit hat naturgemäß mit Vorliebe an die Gegenstände der ihm
anvertrauten Sammlungen angeknüpft, nicht in der Form von Katalogen, die seiner tiefgründigen Art,

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