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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 29.1910-1911

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I. Teil: Abhandlungen
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Schrader, Hans: Robert von Schneider: geboren am 17. November 1854, gestorben am 24. Oktober 1909
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https://doi.org/10.11588/diglit.6176#0404
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3go

Hans Schräder.

die Monumente zu betrachten, nicht lagen, sondern in Einzelpublikationen wichtiger Stücke. Sein um-
fangreichstes und am meisten verbreitetes Werk, das «Album auserlesener Gegenstände der Antiken-
sammlung», und die beiden kleinen Kataloge ephesischer Funde — Kabinettstücke sauberer, bewußt
auf das Wichtigste beschränkter Arbeit — gehören in die gleiche Gattung, insofern es sich auch hier
jedesmal um eine wohl überlegte Auswahl handelt. Es entsprach Schneiders hohem Begriff von der
Wissenschaft, seiner strengen Wahrheitsliebe, daß er am liebsten von Monumenten ausging, die er in
täglichem Umgang mit aller Ruhe und Vertiefung studieren konnte; ihm eignete, um Schillersche Worte
zu gebrauchen, «die Stille der Seele, die ihren Gegenstand mit Liebe pflegt und mit Anhänglichkeit an
ihrem Lieblingsgeschöpf verweilt». So fließt auch aus seinen Schriften etwas von dieser Stimmung ge-
sammelten Schauens auf den Leser über, obwohl oder vielleicht gerade weil Schneider sich in allen
stilistischen Fragen einer lapidaren Kürze befleißigt, sich mit Andeutungen begnügt, wo viele sich in
breitem Vortrag ergehen würden. Aber jedes Wort trifft und regt die Phantasie an. Breiter ist, wo es
nottut, die Darlegung des immer mit der größten Sauberkeit zubereiteten wissenschaftlichen Materials
und niemals fehlt die Einreihung des Einzelnen in den größeren Zusammenhang, mag sie auch auf einen
Satz, eine Andeutung sich beschränken. Immer hat man den wohltuenden Eindruck des über den Stoff
völlig Herr gewordenen Geistes, der über das Einzelne hinaus zu höheren Einsichten vordringt, erfreu-
lich frei von gerade beliebten Schablonen der Anschauung, immer erfüllt von einer schönen Gerechtig-
keit, die aus allseitigem Verstehen fließt. Wie fein weiß er — um nur ein Beispiel herauszuheben — in
der Einleitung des Aufsatzes über die Marmorstatue der Kora der unbedenklichen Geschicklichkeit der
italienischen scultori und scalpellini gerecht zu werden, die doch durch ihre Ergänzungen und pasticci
dem Archäologen so viel Verdruß und Verlegenheit bereitet haben! Man muß diese Seite nachlesen, um
inne zu werden, wie Schneiders Stil, immer edel und gepflegt und von durchsichtiger Klarheit, wo er freier
sich ergehen konnte, zu reifer Schönheit gedieh, niemals pathetisch, oft belebt und gewürzt durch einen
Hauch anmutiger Schalkheit, der auch seine Äußerungen im Gespräch so anziehend machte. Schneider
war ein Causeur, dem zuzuhören ein erlesener Genuß war, und das Gespräch gehörte durchaus zu
seinen geistigen Bedürfnissen, während er sich öffentliche Mitteilungen, Reden und Vorträge mit Selbst-
überwindung abringen mußte. Mit dieser Abneigung gegen öffentliches Auftreten hing es offenbar zu-
sammen, daß er sich erst spät, vierzigjährig, im Jahre 1894 zur Habilitation an der Universität entschloß.
1895 zum außerordentlichen Professor ernannt, 1898 mit dem Titel und Charakter eines Ordinarius be-
kleidet, hat er den archäologischen Unterricht namentlich durch seine Vorlesungen und Übungen in der
Antikensammlung befruchtet, in denen er es meisterhaft verstand, den Hörern Augen und Urteil zu
schärfen. Seine sonstigen Vorlesungen behandelten gern die weniger eifrig bearbeiteten Gebiete der
antiken Kunstgeschichte, wie die Geschichte der Malerei und die etruskische Kunst. Jeder Vortrag, auf
das sorgsamste vorbereitet, war doch immer wie eine schwere körperliche Leistung. Ich erwähne das,
weil es Zeugnis ablegt für die Mannhaftigkeit, mit der er sich selbst meisterte, für die Stärke seiner bei
aller Sensibilität gesunden Natur. Auch körperlich war dieser leidenschaftliche Bücherliebhaber, dieser
unermüdliche Leser höchst leistungsfähig, wie denn mancher, der mit ihm zu reisen oder Fußmärsche
zu machen Gelegenheit hatte, mit Erstaunen sich überzeugte, wie bedürfnislos er war, wie wenig ihn
Durst und Hitze, Staub und lange Wege anfochten.

Man würde Schneiders Bedeutung für den Fortschritt der archäologischen Studien wenig gerecht
werden, wenn man außer acht ließe, wieviel er dazu beigetragen hat, die illustrative Seite archäologi-
scher Veröffentlichungen auf die Höhe zu bringen. Sein sachlicher Sinn, seine Leidenschaft für schöne
Bücher, für die Erzeugnisse der Graphik, sein reifer Geschmack vereinigten sich, um ihn Anforderungen
an die Vollendung der seinen Schriften beigegebenen Abbildungen stellen zu lassen, die bis dahin kaum
erhoben und niemals erfüllt worden waren. Das Werden jeder Reproduktion von der photographischen
Aufnahme an durch alle Stadien hindurch selbst überwachend, unermüdlich Besseres und immer Besseres
heischend, hat er die Leistungen namentlich der Heliogravüre so gesteigert, daß sie kaum noch über-
troffen werden können. So sind Schneiders in diesem Jahrbuch veröffentlichte Aufsätze, etwa der über
eine Bronzestatuette des Herakles (IX. Band [1889]) oder die Studie über die Erzstatue vom Helenen-
 
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