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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 31.1913-1914

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I. Teil: Abhandlungen
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Kuhn, Alfred: Die Illustration des Rosenromans
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https://doi.org/10.11588/diglit.6178#0027
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Die Illustration des Rosenromans.

19

ihre Abgabenprivilegien garantierte.1 Bei den großen Festen der Universität versammelten sie sich in
der Kirche der Mathurins und nahmen unter der Fahne ihres Schutzpatrons Saint Jacques devant la
porte latine im allgemeinen Zuge der Wissenschaft Platz. Trotzdem wäre die Ansicht falsch, daß die
völlige Laisierung des Buchgewerbes am Ende des XIII. Jahrhunderts schon vollzogen gewesen sei.
Man wird um diese Zeit noch mit einem sehr beträchtlichen Kontingent von klösterlichen Schreibern
rechnen müssen. Wie wäre denn auch sonst die Differenz zu verstehen, die zwischen den 24 escrivains
der röle von 1295 und den soixante mille escripvains liegt, von denen Guillebert von Metz anno 1434
spricht,2 selbst wenn wir dem lobesfrohen Manne einige Tausend zu gut rechnen.

Zwischen den beiden genannten Daten liegt denn auch die Hauptentwicklung der Pariser Miniatur-
malerei, das allmähliche Sichlösen von klösterlicher Tradition, die langsame Eroberung einer Wirklich-
keitsdarstellung im eigentlichen Sinne des Wortes.
Solange das Buchgewerbe ausschließlich auf die Klöster
beschränkt war, sind lokale Stile die Folge. Die Tra-
dition ist intern. Sie überliefert von Generation zu
Generation mit einer vorzüglichen, soliden Technik
feststehende Sujets und Formen. Die Nachfrage bleibt
verhältnismäßig gering, denn das Buch ist der Luxus
der Großen. Somit ist die Ausführung tadellos. Das
XIV. Jahrhundert sieht mit der emporblühenden Uni-
versität und dem steigenden bürgerlichen Wohlstand
die wachsende Menge der Laienschreiber und Minia-
toren. Die klösterliche Tradition verliert sich. Die
Nachfrage wird größer und verlangt eine schnelle sowie
billige Produktion; die Qualität läßt nach.

Das junge Paris, das schon seit der Mitte des Fig. 4. Paris, Bibliotheque Nationale, francais 1564, fol. 1.
XIII. Jahrhunderts die höchste Blüte der Miniatur- Ende des Xlll. Jahrhunderts,

maierei in seinen Mauern barg, begann im XIV. Jahr-
hundert seine Anziehungskraft mächtig zu entfalten. Scharenweise scheinen in dieser Zeit die Künstler
vom Norden und von England her zugewandert zu sein. Unter den 28 Buchhändlern, die am 26. Sep-
tember i323 der Universität bei den Mathurins den Eid leisteten,3 kommen Namen vor wie Joanne Bri-
tonc (Jean Breton), Thoma Nonnano (Thomas Normand), Gaitfrido Britone (Geoffroi Breton), Giällelmo
le Grand de vico nucum Anglico, Joanne dicto de Guyuendale Anglico, Nicolas de Scotia (Nicolas
d'Ecosse), Joanne Britone Juvenis, Gaufrido dicto le Normand, Thoma de Wymondtkold Anglico. Die
Liste der am 6. Oktober 1342 4 Schwörenden zeigt dasselbe Bild. Da scheint sich eine womöglich noch
gemischtere Gesellschaft zusammengefunden zu haben. Durrieu5 hat auf Grund des Cartulariums die
Zahl der genannten englischen Namen noch vermehren können, aber er hat trotzdem eine Beein-
flussung der Pariser Miniaturmalerei durch diese fremden Elemente nicht zulassen wollen; er beruhigte
sich mit der Annahme, daß in Paris ansässige Engländer die Schreiber waren, daß jedoch die malerische
Ausstattung Künstlern der He de France vorbehalten worden sei. Vitzthum6 wiederum hätte gerne
Paris allen Glanz genommen, um ihn dem Norden zu verleihen. Es ist hier nicht der Ort, diesen all-
gemeineren Fragen näherzutreten. Einiges scheint aus den Handschriften des Rosenromans hervorzu-
gehen.

1 Paris et ses historiens, p. 451.

2 Paris et ses historiens, p. 232.

3 Boulay, Historia Universitatis Parisiensis 1665 — 1667, IV, p. 204.

4 Daselbst, p. 279.

5 Un siecle de l'histoire de la miniature parisienne ä partir du regne de Saint Louis: Journal des Savants 1909, p. 18.

6 Georg Graf Vitzthum, Die Pariser Miniaturmalerei von der Zeit des heiligen Ludwig bis zu Philipp von Valois
und ihr Verhältnis zur Malerei in Nordwesteuropa, 1907.

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