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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 33.1916

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I. Theil: Abhandlungen
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Planiscig, Leo: Geschichte der venezianischen Skulptur im XIV. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.6168#0078
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Leo Planiscig.

turen ist man nicht einig. Jedenfalls fallen sie in das erste Jahrzehnt des Trecento. Für das Grab-
denkmal des Scrovegni waren sie sicher nicht bestimmt. Die Annahme, sie seien für das Portal-
tympanon der Kapelle hergestellt worden, halte ich für recht plausibel. Die Tatsache aber, daß sie
in einer späteren Zeit auf dem Grabmal des Scrovegni aufgestellt wurden, führte zu einem ver-
hängnisvollen Irrtum: zu der Zuschreibung dieses Grabmales zuerst an den falsch gelesenen
RICOLI, dann an Giovanni selber.

Wir werden das Grabdenkmal des Enrico Scrovegni im Zusammenhang mit den Arbeiten
des Andriolo de Sanctis behandeln; hier sei nur das erwähnt, was zu der angeführten falschen
Annahme verleitet hat. Selvatico hielt das Grabmal für ein Werk jenes IO(N)IS MAGISTRI
NICOLI, den er auf dem Sockel der Madonnenfigur gelesen hatte. Er sah also den Unterschied
zwischen den Statuen Giovannis und den Skulpturen der Scrovegni-Area nicht, obwohl vor ihm
de Marchi, der noch die Madonna für ein Werk des Giovanni Ricoli hielt, ausdrücklich bemerkt
hatte, das Grabmonument sei von der Hand eines unbekannten Künstlers, sicher aber nicht von
jener, die die Madonnenfigur ausgeführt habe.1 Erst in jüngster Zeit hat Moschetti2 den Zu-
sammenhang dieses Grabdenkmales mit jenen der Carrara in der Eremitanikirche zu Padua festge-
stellt, somit seine Entstehung in die zweite Trecentohälfte verlegt.

Es bleibt noch das Testament des Enrico Scrovegni vom 12. März i336 übrig, wonach er in
Ecclesia sanete Marie de caritate de Larena de Padua begraben sein wollte, und zwar in
monumento in ipsa construeto per me, quam ecclesiam et quod monumentum ego
per dei gratiam feci et bonis propriis construi.3 Vor i336 hatte sich also Enrico Scrovegni
ein Grabdenkmal herstellen lassen. Jenes, das wir heute vor Augen haben, kann aus stilistischen
Gründen unmöglich um diese Zeit entstanden sein. In der kleinen Sakristei der Arena-Kapelle
befindet sich aber noch eine Figur des Enrico, in einer Nische stehend, worauf folgende In-
schrift zu lesen ist: PROPRIA FIGVRA DOMINI ENRICI SCROVEGNI MI. LITIS DE LARENA.
Nichts spricht dagegen, daß sie dem von Enrico selbst bestellten Grabmonument angehört hat.
Ist dies der Fall, warum muß sie dann ein Werk des Giovanni Pisano sein? Uber die Autorschaft
ist im Testament kein Wort gesagt. Der Name des großen Pisaners war aber bereits einmal mit dem
Grabmale des Scrovegni verbunden worden; deshalb «konnte» man ihn nicht mehr fallen lassen,
obwohl diese Figur stilistisch sehr wenig mit der Kunst Giovannis gemein hat.4 Man stelle sich sie
liegend auf einem Sarkophagdeckel vor und man wird nicht lange suchen müssen, um zahlreiche
äußerst ähnliche Skulpturen an Grabmonumenten der ersten Trecentohälfte zu finden. Der Autor
dieser Skulptur mag wohl ein Toskaner gewesen sein, der der späten Schule Giovannis angehörte
(die ein allgemeines Gut in Italien wurde) und der vielleicht sogar ein Sienese gewesen sein könnte.5

Supino ist durch eine wichtige Tatsache veranlaßt worden, diese Statue für ein Werk der
zweiten Hälfte des Trecento zu halten/' In Tolomeis Buche über die Arena-Kapelle7 ist nämlich

1 Siehe S. 69, Anm. 4.

2 A. Moschetti, La cappella degli Scrovegni e gli affreschi di Giotto in essa dipinti, Florenz 1904. — Derselbe, Su
1' autore del monumento funebre di Fnrico Scrovegni: «L'Arte» (Rom 1904), p. 387.

3 Venedig, Archivio dei Procuratori di S.Marco, serie mista, busta 5; publ. von A. Tolomei, La cappella degli Scro-
vegni c 1' Arena di Padova, Padua 1881.

4 Milanesi (in seiner Vasari-Ausgabe, Florenz 1878) I, p. 31g, gab an, daß Giovanni 1328 nach Padua ging, um das
Grabmal des Scrovegni auszuführen.

! Die Ansichten über die Autorschaft dieser Statue sind geteilt: Venturi a. a. O. IV, p. 211, und Moschetti, La cappella
degli Scrovegni e gli affreschi di Giotlo in essa dipinti, Florenz 1904, halten sie für ein sicheres Werk des Giovanni; auch
Max Sauerlandt, über die Bildwerke des Giovanni Pisano, Düsseldorf und Leipzig 1904, neigt zu dieser Ansicht, wenigstens
für den Kopf der Figur. Frey, Le vite di Giorgio Vasari, München 1911, bemerkt einen ausdrucksvollen Zug im Gesichte,
nennt aber das Werk hart und unbeholfen. Hingegen spricht sie Justi, Giovanni Pisano und die toskanischen Skulpturen des
14. Jahrhunderts im Berliner Museum: Jahrbuch der kgl. preußischen Kunstsammlungen XXIV (1903), dem Giovanni ab.
Desgleichen tat schon früher Perkins a. a. O. I, p. 83, doch, wie ich glaube, nicht auf Grund einer stilistischen Analyse ;
denn er spricht auch die Madonna dem Giovanni ab; siehe S. 69, Anm. 5.

6 J. B. Supino, Arte Pisana, Florenz 1904, p. 117: «opera medioere della seconda metä del secolo XIV».

' A. Tolomei, a. a. O., p. 18 und 38, Anm. 4 und 7.
 
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