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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 33.1916

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I. Theil: Abhandlungen
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Planiscig, Leo: Geschichte der venezianischen Skulptur im XIV. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.6168#0088
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8o

Leo Planiscig.

Nichts liegt näher als anzunehmen, dass dieser antikische Gehalt des B. Simeone-Kopfes auf einem
indirekten Wege durch irgendeine Vermittlung erreicht worden ist. Und diese vermittelnde Rolle
hat in unserem Falle, man kann es ruhig behaupten, Nicolö Pisano gespielt. Man ziehe
zum Vergleiche das Relief mit der Darstellung im Tempel der Pisaner Baptisteriumskanzel heran.

Der Kopf der Figur
rechts, jenes alten,
vollbärtigen Mannes,
im Gesichtstypus ein
Jupiter, in der Kör-
perstellung und in
jener der Hände ein
Silen, könnte direkt
ein Vorbild für un-
seren Beato gewesen
sein. Die welligen,
teilweise mit dem
Bohrer gearbeiteten
Locken des Haares
und des Bartes, die
Form der Stirn, die
antikische, gerade
Nase, die Augenhöh-
len, die Backenkno-
chen, der halboffene
Mund mit den stark
ausgebildeten Lippen
sind hier wie dort die
gleichen. Aber auch
in der Behandlung
der Gewänder liegen
Ähnlichkeiten vor, na-
mentlich im Bruche
der Falten. Man ver-
gleiche schließlich die
Hände. Beide Male
sind sie betont, groß,
aber fein durchmo-
delliert, in der Durch-
führung viel ent-
wickelter als die Behandlung der Gewänder. — Aus diesen so charakteristischen Übereinstimmun-
gen geht nun deutlich hervor, daß unser Marcus Romanus in Verbindung mit der Kunst Ni-
colös zu bringen ist. Wie er dazu kam, diese zu erlernen, wissen wir nicht. Doch der Beiname
«Romanus» besagt uns, daß wir es hier mit einem fremden, in Venedig eingewanderten Künstler
zu tun haben. Charakteristischer für ihn und für seine Kunst wäre aber der Name «Pisanus» ge-
wesen; denn von der römischen Kunst seiner Zeit ist er durch die gewaltige Größe Nicolös gänzlich
entfernt worden.

Daß es sich in unserem Falle um eine, wenn auch verspätete, Dugentokunst handle und
nicht, wie Venturi meint, um ein Produkt des XV. Jahrhunderts, wird wohl niemand mehr bezweifeln.
Ein Blick auf das Grabmal des Kardinals d' Alencon in Santa Maria in Trastevere zu Rom, das

Fig. 48. Relief vom Grabmal des B. Odorico da Pordenone (i332).
Udine. Carmini-Kirche.
 
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