Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 8.1893

DOI Heft:
Heft 1
DOI Artikel:
Strzygowski, Josef: Das goldene Thor in Konstantinopel
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.38776#0048
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ßg Strzygowski, Das goldene Thor in Konstantinopel.

und dafs uns das Eingehen auf Inhalt und Form der figürlichen Reliefs gleicher-
weise auf den wenigstens theilweise hellenistisch-römischen Ursprung derselben
geführt hat. Man halte dazu die andere bekannte Thatsache, wonach die altbyzan-
tinischen Kaiser antike Bildwerke aus allen Theilen des Reiches, besonders aber
aus Rom, Sicilien, Athen und den östlichen Küstenstädten zum Schmuck der neuen
Roma nach dem Bosporus schleppten —- und man wird sich, glaube ich, des Ge-
dankens nicht erwehren können, dafs Theodosius II., der durch ein Gesetz vorn
Jahre 411 [Cod. Theod. XV, 1, 48) die Erhaltung dessen angeordnet hatte, was die
Vorfahren zur Zierde errichtet hatten, und selbst die Rosse von S. Marco aus Chios
in den Hippodrom der Hauptstadt brachte — auch Theile vom Tafelwerk des Propy-
laions direct aus einer der alten Culturstätten importirt hat. So kam die durch
figürliche Reliefs geschmückte Marmorwand, welche ursprünglich vielleicht die Halle
eines alexandrinischen Palastes geschmückt hatte, nach Konstantinopel und an eine
Stelle, für die sie ursprünglich nicht im Entferntesten gedacht war. Aus der Saal-
wand wurde so der Schmuck eines Mauerthores; zwei farbige Säulen mit zierlich
gearbeiteten Kapitellen rundeten das ungewohnte, aber dem Bediirfnifs nach buntem
Prunk völlig entsprechende Pasticcio ab. Die byzantinisehe Kunst aber fand den
Einfall gut und hat ihre Palastfagaden gern in diesem ursprünglich für den Innen-
raum bestimmten Decorationsstil ausgestattet.

Es erübrigt noch mit einigen Worten die Resultate der Untersuchung zu-
sammenzufassen. An dem goldenen Thore zu Konstantinopel sind zu trennen das
Triumphthor, welches, nach 388 erbaut, im Jahre 391 beim Einzuge des grofsen
Theodosius fertig gewesen sein dürfte, dazu die entweder gleichzeitig oder gelegent-
lich des Baues der neuen Hauptmauer unter Theodosius II. entstandenen Pylonen.
Diesem einheitlich durchgeführten, gewaltigen Monumentalbaue steht, im architekto-
nischen Charakter wesentlich verschieden, gegenüber das Propylaion, welches, orga-
nisch zur Vormauer gehörend, schon aus diesem Grunde in der Zeit des jüngeren
Theodosius angelegt sein dürfte. Beide Bauten zusammengenommen verkörpern
wie kein zweites Denkmal dieser Zeit den durch den Einflufs des Christenthums
und des Orients veränderten Charakter der Antike. In der Kirchenarchitektur ist
der angeborene Gegensatz zwischen Hellenismus und Christenthum in zahllosen Bei-
spielen offenkundig. Meines Wissens aber giebt es keinen Profanbau, der so kräftig
wie der Hauptbau des goldenen Thores die schroffe Ablehnung jedes reicheren
Aufsenschmuckes durch das Christenthum hervortreten läfst. Und dafs diese Er-
scheinung keine zufällige ist, dafür bürgt die Person des Bauherrn, des grofsen
Theodosius, und die Kreuze und Christusmonogramme, welche überall, an der Haupt-
fagade neben den Thorbogen und an den Pylonenecken, an der Innenfagade in der
Mitte des krönenden Gesimses wiederkehren. Und dem gegenüber das Propylaion.
Es spiegelt den auf farbigen, orientalischen Prunk gerichteten Charakter des byzan-
 
Annotationen