Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 8.1893

DOI Heft:
Heft 4
DOI Artikel:
Mayer, Maximilian: Splanchnoptes
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.38776#0239
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Mayer, Splanchnoptes.

des ganzen Körpers beabsichtigt ist, die in Verbindung mit der Nackenbeugung
und der sonstigen Bewegung weit mehr ungefähr auf die früher sogen. Pasitelischen
Werke, d. h. ihre Vorbilder aus dem fünften Jahrhundert, zurück- und auf den »Ger-
manicus« hinausführt. Eine gewisse Ähnlichkeit in den Standverhältnissen verkenne
ich nicht; doch tritt die Albanische Figur mit der Sohle des Spielbeins fester auf
und bekundet darin wie in allem Übrigen ihren alterthümlicheren Charakter. Wol-
ters wird nach genauerer Analyse selber nicht mehr glauben, dafs die grofse Ver-
schiedenheit der Proportionen, die dort noch von archaischer Schlankheit sind, dafs
die stärkere Einschnürung des Gürtels, die vielen merklichen klärten, selbst Neben-
dinge wie die behaarte Scham, sich nur als Variationen desselben Originals er-
klären sollten. Von den Armen, die ja (von den Ergänzungen abgesehen) frei
behandelt sein könnten, habe ich noch kaum gesprochen. Der rechte ist gesenkt
statt erhoben, so dafs der Ellenbogen fast in einer Linie mit dem Nabel zu liegen
kommt, während er bei dem Knaben vom Olympieion um anderthalb Handbreite
höher liegt; er ist angeschlossen statt eine Drehung nach aufsen zu vollführen; er
spiegelt überhaupt die eckige Compositionsmanier der • bezeichneten Schule und
ihrer Ausläufer so gut wieder, dafs man begierig sein darf zu wissen, was der
Künstler, der an Gefühllosigkeit nichts zu wünschen liefs, wohl zu der lebhaften Ge-
berde gesagt haben würde, die der Ergänzer dem an der Achsel gebrochenen 1.
Arm mitgetheilt hat. Ich finde, von dieser Ergänzung abgesehen, Alles an dieser
Figur so gut im Einklang mit einander, und ganz besonders auch den zwar ein-
fältigen aber darum nicht anmuthigen Kopf (in Charakter und Haltung) so passend,
dafs der Statue vom Standpunkt ihrer Schule aus eine Prämie gebührt hätte. Nur
unserm schwungvollen, in vieler Hinsicht sympathischen Olympieion-Knaben mufs
sie fernbleiben, sie und alle von verwandtem Schlage.
Die Vergleichung läfst uns nur um so bestimmter inne werden, wie weit
sich unser Werk, welches gewifs in die Mitte des fünften Jahrhunderts gehört, auch
innerlich von den bezeichneten Kunstrichtungen emancipirt hat. Dort haben wir
Aktfiguren, Posen, denen sich jedes beliebige Attribut der Palästra und Agone
leihen liefs, hier wie gesagt eine Aktion die auf Erklärung dringt. Trifft unser Er-
gänzungsvorschlag das Richtige, so würde, eben weil das Motiv durch die seltene
Verbindung mit dem Altar bedingt ist, das bronzene Original selber wohl mit dem
vielgesuchten Splanchnoptes identisch sein müssen: eine Consequenz, die wir zwar
nicht fordern, vor der wir aber alsdann zurückzuscheuen keinen Grund haben, da
jener keine andere Zeitbestimmung als den Namen des Perikies trägt. Dem Stil
nach braucht das Original um nichts älter und um nichts jünger zu sein, als das
früheste und beste Porträt des Perikies selber, die Vaticanische, nach Bronze copirte
Büste des Strategen25, mit ihren noch etwas herben Formen und ihren wie hier
symmetrisch angeordneten Spiral-Löckchen.
Athen 1892. Maximilian Mayer.

25) Helbig, Führer durch die öffentl. Sammlungen Roms No. 281; Brunn-Bruckmann No. 156,
 
Annotationen