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Habich, Zum Barberinischen Faun.

Gröfseren Schwierigkeiten begegnet die Neuergänzung des rechten Beines.
Die Stellung im Original, gegenwärtig für jeden mit der antiken Kunst auch nur
oberflächlich vertrauten Beschauer im höchsten Grade befremdlich, ward durch die
veränderte Aufstellung vollends unhaltbar. Der erste Gedanke, dem Bein, wie Bulle
gethan, nach Analogie zahlreicher antiker Darstellungen von Schlafenden — auch
der Neapler Faun, den ja schon Clarac der barberinischen Figur gegenüberstellt4,
blieb nicht unberücksichtigt — eine gerade abgestreckte Lage zu geben, wurde
baldigst verworfen, da mir einerseits — im Gegensatz zu Bulle — keine Möglichkeit
gegeben schien, den Felsen unterhalb des rechten Beines weiter fortzusetzen,
dann aber hauptsächlich deshalb, weil die prachtvoll kompakte Komposition ihre
geschlossene Silhouette vollkommen einbüfste, indem sie sich in ausdrucksloser
Linie darüber hinaus verlor5.
Es war meiner Meinung nach ein Irrtum von Bulle, ausschliefslich von jenen
typischen Darstellungen auszugehen, deren Wesen das des idyllischen Schläfers ist
und zu denen auch, trotz seiner Satyr-Abzeichen, der Bronze-Knabe in Neapel gehört.
Über den inneren Gegensatz zwischen diesen süfsen Schläfern, Adonis,- Endymion
Eroten, Nymphen6 u. s. w. und unserem derben, vom Weine übermannten
Schnarcher, bedarf es keines Wortes. Übrigens ist das Motiv der herkulanensischen
Bronze, worauf sich Bulles Ergänzung vorwiegend stützt, von unserem Faun wesent-
lich verschieden, so sehr bei der geschickten Gegenüberstellung (Bulle S. 14 und 15)
eine gewisse Ähnlichkeit der Silhouetten, aber auch nur dieser, darüber hinweg
täuschen mag. Nicht nur dafs der linke Arm lose herabfällt, wodurch das ganze
Motiv der unterstützten Schulter von Grund aus verändert erscheint, ist auch der
rechte Unterarm keineswegs wie bei der Münchener Figur ausdrucksvoll an der

4) Vgl. auch Urlichs Glypthotek S. 35, Anm. 1.
5) Die »gerade schmale Kante oben 20 unten 10 cm
breit« am Vorsprung des Felsens unterhalb des
r. Fufses, welche Bulle für die fragmentierte
Stelle hält, wo der Felsen sich vorher fortsetzte,
ist allerdings eine rohe Bruchfläche, die mit dem
Spitzhammer nur grob zugehauen ist, aber sie
ist ursprünglich und bezeichnet den Zustand
des Blockes, wie er aus dem Steinbruch kam.
Auch die Rückseite des Felsensitzes (siehe Bulle
S. 12, Abb. 4), die nur zum Teil mit einem
Spitzeisen oberflächlich übergangen scheint, hat,
wie auch Furtwängler (S. 201/202) annimmt, im
wesentlichen ihre originale Gestalt. Demnach
wäre jene Kante viel zu schmal, um hier an eine
Fortsetzung des Steins denken zu lassen. Eine
ähnliche Oberfläche wie diese Kante weist auch,
wie Bulle (S. 13) richtig bemerkt, die Stelle
neben dem linken Schulterblatt (Bulle Abb. 4:C')
auf. Auch hier handelt es sich um den ur-
sprünglichen Bruch. Mit dieser Seite lag die
Figur bei der antiken Aufstellung, die eine

landschaftliche Umgebung voraussetzt, auf ihrer
Felsenunterlage auf. — Vermutlich war sie in
natürlichen Fels eingebettet. Wie ein nur
roh angelegtes, etwa 35 cm langes und 15 cm
breites Stück unterhalb des linken Schulterblattes
erkennen läfst, griff dieser Felsen noch ein gut
Stück auf den Rücken der Figur über, wodurch
die Komposition bedeutend an Halt gewinnen
mufste. Nur an dieser Stelle läfst sich übrigens
auch für den rätselhaften »Baumstamm«, welcher
den Rücken der Statue teilweise verdeckte (Bulle
S. ϊΐ Anm. 16), ein Anhalt finden. Vielleicht
liegt hier Urlich’s Darstellung, die auf dem
Briefwechsel Wagners mit dem Kronprinzen
Ludwig fufst, ein Irrtum zu Grunde, der durch
die doppelte Bedeutung des Wortes »tronco«
(Baumstamm) hervorgerufen sein könnte, ein im
älteren Bildhauerjargon sehr gebräuchlicher Aus-
druck für jeden stehengebliebenen oder frei-
stehenden Marmorrest: Stumpf, Strunk.
6) Vgl. besonders auch die Mänade Samml. Sabou-
roff II, 90.
 
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