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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 17.1902

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Brueckner, Alfred: Lebensweisheit aus griechischen Grabsteinen
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https://doi.org/10.11588/diglit.47179#0050
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Brueckner, Lebensweisheit auf griechischen Grabsteinen.

blickend darstellt, zum Gemeingut der kunstgeschichtlichen Handbücher. Dieselbe
behagliche Gestalt ist auf ebenso hoher Stele vor wenigen Jahren im Gebiete der
milesischen Colonie Apollonia an der Westküste des Pontos aufgetaucht1. Sie wird
auf Tafel i nach dem Abgufs abgebildet. Hier ist über den Kopf die Inschrift
gesetzt:
Ένδάδ’ Άν]ά$ανδρο[ς ά]νή[ρ δ]ωαμώτατος άστώγ
κε[ΐτα]ι άμώμητο[ς? τ]έρμα λα[χ]ών θανάτου.
Als ein viertes Exemplar darf dieser Reihe wohl eine Stele aus Korseia
dem Grenzorte von Lokris und Böotien, hingefiigt werden2. Von ihr ist zwar nur
die obere Hälfte des Reliefs erhalten, aber ergänzt man die untere, so liegt es
nahe, neben den Beinen des auf seinen Stab sich lehnenden Mannes in dem sonst
leeren Felde rechts unten den Hund zu vermuten.
Der Einzelbeschreibung der Reliefs wird sich nichts hinzufügen lassen. »Der
Verstorbene« — so fafst Friederichs den einfachen Hergang zusammen — »ein
bärtiger älterer Mann, ist in einer Handlung des alltäglichen Lebens dargestellt:
bequem in seinen Mantel gehüllt, den langen knotigen Stab unter die Achsel ge-
stützt und dessen Druck durch die dazwischen gelegten Mantelfalten mildernd, steht
er da und reicht seinem Hunde eine Heuschrecke hin. Es ist das sprechendste
Bild eines guten, behäbigen Landmannes, der in läfsiger Ruhe es doch nicht ver-
säumt, das schädliche Insekt zu vernichten und daraus zugleich Anlafs nimmt, mit
seinem Hunde zu scherzen.« Auch die Zeitbestimmung ist in den Grenzen dessen,
was sich mit gutem Gewissen heutzutage behaupten läfst, unanfechtbar; es ist rund
die Zeit der Perserkriege, aus der die Reliefs herrühren, unter ihnen sind das orcho-
menische und apollonische, vielleicht etwas älter, das Neapler und die lokrisch-
böotische Stele nicht eben viel jünger.
Hinzufügen möchte ich zunächst eine Überlegung dessen, was sich für die
Verbreitung des Typus aus der Verschiedenheit der einzelnen Reliefs ergibt. Sie
erscheinen nicht unmittelbar von einander abhängig. Die beiden am längsten
bekannten Reliefs möchten noch am engsten verwandt sein. Denn das Neapler ahmt
in der Handhaltung und in der Vorderansicht des rechten Knies den Typus des
Alxenor nach; aber die Haltung des Kopfes und der Brust, die Gewandung, die
Fufsstellung und die Bewegung des Hundes, das alles ist so abweichend, dafs gewifs
mit Recht Conze sich gegen eine unmittelbare Abhängigkeit ausgesprochen hat2.
So führt schon der Vergleich dieser beiden darauf, dafs dieselbe Scene noch öfter
auf Grabmälern zu finden gewesen ist. Vollends aber sind die beiden Reliefs,
welche den Vorgang mit aller Frische ursprünglicher Empfindung wiedergeben,
unabhängig von einander. In anmutiger Natürlichkeit neigt sich der Apollonier
Anaxandros zu seinem Hunde; bei dem Orchomenier ist die Haltung des Hundes
und des Mannes gequält. Das Einzige, worin sie sich gleichen, ist die Wendung
') Anzeiger 1896 S. 136. 3) Beiträge zur Geschichte der griechischen Plastik
2) G. Körte, Atli. Mitt. III 313,7; IV 271 Taf. 14,2. S. 34.
Friederichs-Wolters No. 46.
 
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