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Gerhart Rodenwaldt, Fragment eines Votivreliefs in Eleusis.

wiedergeben zu können, einen mehr nach rechts verschobenen Standpunkt gewählt
hat. Das Fragment hat eine Höhe von 20 und eine Breite von 27,5 cm. Die
Fundnotiz des Inventars besagt: Εύρέθη 1895 εις το βουλευτήριον εις μέγα βάθος. In
der Literatur ist es bisher m. W. nicht erwähnt. Herrn Kuruniotis bin ich für die
freundlich gewährte Erlaubnis der Veröffentlichung zu aufrichtigem Dank ver-
pflichtet.
Erhalten ist die linke obere Ecke eines Reliefs. Die Seitenfläche ist glatt,
nicht als Anschlußfläche gearbeitet. Den oberen Abschluß bildet ein aus einem
lesbischen Kymation und epier glatten Leiste bestehendes Glied. Auf der Photo-
graphie sind die Spuren der gemalten Herzblätter des Kymations noch deutlich
sichtbar, während Gillieron sie nicht erkannt und daher auch nicht genau wieder-
gegeben hat. Aus dieser Form des Abschlusses und dem Format der Figuren-
reste ergibt sich ohne weiteres die Denkmälergattung, zu der unser Fragment ge-
hört; es ist der Rest eines Weih- oder Urkundenreliefs der älteren, am Ende des
fünften und dem Beginn des vierten Jahrhunderts herrschenden Form, die einen
seitlichen Abschluß des Reliefs durch Anten noch nicht kennt und oben von
einem lesbischen Kymation mit Leiste bekrönt wird J).
Von den Figuren ist, wenn wir an der linken Seite beginnen, zunächst der
nach rechts gewandte Kopf eines Jünglings erhalten. Es folgt der ebenfalls nach
rechts gewandte Kopf einer Frau. Das Profil hebt sich von dem Schleier ab, der
hinten auf dem Kopfe aufliegt und sich beiderseits schräg symmetrisch nach den
Schultern herunterzieht. Der Schleier ließ die Masse des Haares, die jetzt ab-
gesprungen ist, frei. Der Oberkörper war, wie schon aus der Anlage des Schleiers
hervorgeht, nach vorne gedreht. Er ist ebenfalls abgebrochen; nur an der linken
Seite der Figur sind die Schulter und die linke Hand, die sich anscheinend an den
Schleier legt, erhalten. Rechts von dieser Figur ist der Schaft einer etwas schräg
nach links in die Höhe gehaltenen Fackel sichtbar.

T) Vgl. Milchhöfer, A. Μ. \T 1880, 220t.; Loewy,
Text zu Arndt-Amelung, Einzelaufnahmen Nr.
1220 und 1242. Zu dem Eindringen der An-
tenumrahmung aus der ionischen Kunst vgl.
Rodenwaldt, Arch. Jahrb. XXVIII 1913, 323k.
Das älteste Beispiel auf einem Urkundenrelief,
wo wie bei den entsprechenden Grabstelen das
unorganisch über den Anten stehen gebliebene
Kymation deutlich die Zusammengesetztheit zeigt,
ist wohl die Urkunde von 405/4 Kern, Inscrip-
tiones Graecae Nr. 19, Brunn-Bruckmann 475 a.
Dagegen fehlen die Anten auf dem von der-
selben Hand gearbeiteten Relief der Übergabe-
urkunde vom Jahre 400, Svoronos, Athener Na-
tionalmusenm Taf. CCIII. Ebenso fehlen sie
auf der Übergabeurkunde von 398/7, Svoronos
a. a. O. Taf. CVII, sowie auf einigen nach der
Form der Inschriften an das Ende des fünften

bzw. an den Beginn des vierten Jahrhunderts zu
datierenden Werken, dem Relief der Xenokra-
teia in Athen, Έφ. Άρχ. 1909, Taf. 8; Svoronos
a. a. O. Taf. CLXXXI (vgl. Lippold, Text zu
Brunn-Bruckmann Taf. 679), dem diesem gleich-
zeitigen Relief mit Echelos und Basile, Svoronos
Taf. XXXVIII, und dem Relief mit Herakles
Alexikakos in Boston, A. Μ. XXXVI 1911, Taf.
II S. 121 (Frickenhaus). Die alte Form hält
sich noch lange neben der jüngeren ; die Anten
fehlen noch auf der Übergabeurkunde von 376,
Svoronos Taf. CCX, während auf dem Relief
der Urkunde des Vertrages zwischen Athen und
Kerkyra vom Jahre 375/4, Svoronos Taf. CIII
die entwickelte Form mit Anten und richtigem
Architrav erscheint. Eine Geschichte der attischen
Votivreliefs an der Hand der datierten Urkunden
wäre dringend erforderlich.
 
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