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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 37.1922(1924)

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Matz, Friedrich: Zur Komposition ägyptischer Wandbilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.44817#0050
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Friedrich Matz, Zur Komposition ägyptischer Wandbilder.

die Sehform dem andern Prinzip ungemein viel an Boden abgewonnen hat. Die
Festung ist in Deshashe in Landkartenprojektion gegeben, und der Kampf vor den
Toren sowie seine Begleiterscheinungen im Innern spielen sich auf einer Reihe wage-
rechter Streifen ab. - Nun wirkt das jüngere Bild doch fast so, wie wenn es von einem
Standpunkte aus einheitlich mit dem Blick erfaßt wäre. Dieses Verhältnis ist typisch.
Bis in die letzten Stadien der ägyptischen Kunst hinein beobachtet man auf Schritt
und Tritt ganz krasse Vorstellungsbilder. Daneben werden die Äußerungen des
andern Darstellungsprinzips im Laufe der Zeit immer häufiger. In seinem Buche
»Von ägyptischer Kunst, besonders der Zeichenkunst« hat Heinrich Schäfer das
jüngst klar gezeigt. Für die Betrachtung, die von dem oben bezeichneten Stand-
punkt ausgeht, kommt es nun aber nicht so sehr auf die Feststellung der tatsäch-
lichen Verhältnisse an — darin wird man gern und ohne Vorbehalt dem feinsinnigen
Kenner und Fachmann folgen —, sondern namentlich auf deren Erklärung.
Für Schäfer, der hier in die Spuren von Riegl tritt1), ist die ägyptische Zeichen-
kunst ihrem Wesen nach durchaus vorstellig (ideoplastisch) II 221 A. 45 (vgl. auch
61 u. 118). In der »Anpassung an die Sinneseindrücke von Körperlichkeit und
Raumtiefe« (58, vgl. 195), im »Ausgleich zwischen Vorstellungs- und Sehbild« (In-
haltsverzeichnis X zu Kap. 4) bestehe dann die Geschichte der ägyptischen Kunst,
aber erst in ihren letzten Stadien setze diese Bewegung etwas lebhafter ein. Es
wird also dem physioplastischen Element die Rolle eines zwar bedeutsamen und
interessanten, aber immerhin doch schwachen und sekundären Ingrediens (156)
zugewiesen.
Dagegen erheben sich von vornherein schwerwiegende Bedenken. Wo bleibt
denn, namentlich für die älteren Stufen, der fundamentale Unterschied zwischen der
ägyptischen und der primitiven Kunst, der doch schon bei flüchtiger Betrachtung
in die Augen springt ? Außerdem bekommt man nach dieser Auffassung den Ein-
druck, als ob sich die ägyptische Flächenkunst sozusagen in sich selber totgelaufen
habe, als ob ihre Geschichte ohne ein erhebliches Resultat, ohne Eroberung neuen
Gebiets vorübergegangen sei. Im Hinblick auf die eben betrachteten beiden Bilder
scheint damit doch viel zu wenig gesagt; ihr Abstand ist dazu ein viel zu großer.
Nun hat bereits Riegl ohne Frage mit Recht festgestellt, daß die ägyptische
Kunst, wenn man sie im Ganzen der Kunstgeschichte betrachtet, als vorwiegend
raumlos oder ideoplastisch zu gelten hat (a. a. 0.). Es ist hier aber scharf zu scheiden
zwischen dieser relativen und der absoluten Bedeutung des Begriffs. Die letztere
soll hier ins Auge gefaßt werden, weil in dieser Hinsicht das von Schäfer gezeichnete
Bild der Entwicklung offenbar noch nicht ganz vollständig ist. Die Lücke liegt
augenscheinlich darin, daß von ihm die Komposition nur im Vorübergehen gestreift
wird.
Schäfer geht nämlich so vor, daß er »zuerst die einfachen, dann die viel-
gliedrigen Körper betrachtet und schließlich, in den Gruppen aus mehreren Einzel-

T) Spätrömische Kunstindustrie 1901, jiff.; vgl.
auch Schweitzer, Zeitschrift für Ästhetik XIII

1918, 264. Rodenwaldt, Der Fries des Megarons
von Mykenai 1921, 4 t
 
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