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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 37.1922(1924)

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Matz, Friedrich: Zur Komposition ägyptischer Wandbilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.44817#0049
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Friedrich Matz, Zur Komposition ägyptischer Wandbilder.

39

ZUR KOMPOSITION ÄGYPTISCHER WANDBILDER.

Wie es für die Erscheinungen des Raums zwei verschiedene Wege gibt, auf
denen sie als Wahrnehmungen in die menschliche Seele eindringen, so scheiden sich
auch ihre Ausdrucksformen auf dem Gebiete der bildenden Kunst nach zwei Rich-
tungen. Die optische Auffassung des Raums findet in der Erscheinungs- oder Seh-
form ihren angemessenen Ausdruck; der moderne Impressionismus hat sie bis in
ihre letzten Konsequenzen verfolgt. Die diskursive, durch unsre Tast- und Bewe-
gungsempfindungen vermittelte Raumauffassuung erzeugt das Vorstellungsbild, das
uns am reinsten in der primitiven Kunst der Kinder und Naturvölker entgegen-
tritt *). Damit sind aber nur die beiden Pole bezeichnet. Die weitaus überwiegende
Menge aller kunstgeschichtlichen Erscheinungen liegt dazwischen und zeigt der
Organisation des lebendigen Menschen entsprechend ein In- und Miteinanderwirken
beider Anschauungsweisen und beider Ausdrucksformen. Aufgabe der Kunstwissen-
schaft ist es, zu beschreiben, wie sich im Laufe der Entwicklung die beiden Elemente
zueinander verhalten haben, d. h. die Geschichte dieser Mischung zu erforschen und
die Gesichtspunkte festzulegen, nach denen sie im Einzelfalle sich zu erkennen gibt.
Liier ist für die Forschung noch viel zu tun, jedenfalls auf dem Gebiete der alten
Kunst, und es ist gewiß kein Zufall, wenn gerade in Untersuchungen der letzten Zeit
diese Fragen häufiger aufgeworfen sind. Es liegt aber in der Natur der Sache, daß
diese Dinge gewissermaßen nur bei weiterem Abstand erkennbar werden, nur beim
Überblick über größere Einheiten der Kunstgeschichte und bei ihrem Vergleich mit
anderen. Der klassische Archäologe, dem es darum zu tun ist, diese Verhältnisse
für die griechische Kunst im ganzen und in ihren einzelnen Phasen festzustcllen,
sieht sich daher vor die Notwendigkeit gestellt, auf die benachbarten Gebiete, ins-
besondere auf die älteren Kulturkreise, überzugreifen.
In der ägyptischen Kunst liegen die beiden Darstellungsprinzipien besonders
deutlich und für unsere Sehgewohnheiten besonders unvermittelt nebeneinander.
Nehmen wir als Beispiel aus der entwickelten Kunst des NR das große Relief vom
Ramesseum mit der Erstürmung der hethitischen Festung Dapuru durch Ramses II.3)
Da treten auf den ersten Blick die vorstelligen Elemente ganz klar in die Erscheinung:
der verschiedene Maßstab der Figuren, das Fehlen einer konsequenten Perspektive
und die Unklarheit zwischen Luft und Bodenfläche, die besonders fühlbar wird bei
dem 1. am Rande der Festung abstürzenden Asiaten und den weiter 1. davon an-
greifenden ägyptischen Gespannen.
Hält man daneben das älteste Schlachtbild, das sich in einem Grabe des AR
bei Deshashe gefunden hat 3), so sieht man, daß im Laufe der Entwicklung doch

*) 0. Wulff, Grundlinien und kritische Erörterungen
zur Prinzipienlehre der bildenden Kunst. 1917,
30 ff-
2) LD III 166. Rosellini, Mon. Stör. I 108. Erman,
Aegypten I 116, II 702. Hunger-Lamer, Alt-
orientalische Kultur im Bilde 18, 33. Vgl. W.
M. Müller, Egypt. Researches II 155.

3) Petrie, Deshashe (Egypt Exploration Fund XV)
1898 Taf. 4. v. Bissing, Einführung in die ägyptische
Kunst, Taf. 2. Maspero, Geschichte der Kunst
in Aegypten (Ars una species mille) 108, 196.
E. Meyer, Gesch. d. Altert. I 2, 253. v. Bissing,
Recueil deTravaux relatifs ä l’histoire des peuples
de l’ancien Orient XXXII 1910, 46 ff. 6395,4.
 
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