56
H. Pomtow, Die Paionios-Nike in Delphi.
dessen Vervollständigung bei '). Weiteres wurde bis heute nicht bekannt gegeben.
Zehn Jahre darauf fanden wir in Delphi im Pydna-Saal des Museums den dreiseitigen
Pfeiler aus Gips- und Marmorblöcken aufgebaut, wie ihn Abb. I veranschaulicht. An
der Parallelität des Denkmals mit dem olympischen schien mir kein Zweifel möglich,
aber das zeitliche Verhältnis beider blieb nach wie vor ungewiß: waren sie wirklich
gleichzeitig oder war eins spätere Kopie (welches?), und war die delphische Statue
auch aus Marmor? Da inzwischen andere Gelehrte wie Keramopullos (Athen. Mitt.
I9°9, 51) und Bulle (mündlich und brieflich) die Identität der Denkmäler bestritten
und behaupteten, der delphische Pfeiler habe vielmehr einen Dreifuß getragen
(warum?), so soll nach weiteren zehn Jahren das seit 1906 gesammelte Material
vorgelegt werden, das auch für den Pfeiler in Olympia wesentliche Modifikationen
in Höhe und Aussehen zur Folge hat.
1. Die Bronzestatue und die Marmorkopie.
Der Oberprofil-Block mit den Zapfenlöchern. — Wie die meisten
Blöcke des Pfeileraufbaues im delphischen Museum besteht auch die profilierte
Deckplatte über dem hohen Schafte zum größten Teil aus Gips. Man wird daher
niemals zu genauen Vermessungen und Rekonstruktionen gelangen können, falls
jener Aufbau nicht wieder auseinandergenommen wird. Dies gilt nicht nur von
der Profil-Platte, sondern von allen Blöcken. Was sich über die erstere bei einer
kurzen Untersuchung in 9 m Höhe feststellen ließ 2), zeigt Abb. 2. Man erkennt
auf der Oberseite fünf große, sehr tiefe, unregelmäßige Einlaßlöcher für Eisen- oder
Bronzezapfen; das größte (I) etwa an der Mitte der mutmaßlichen Vorderseite,
drei andere (II—IV) nach den zwei Seiten und der Spitze des Dreiecks, das fünfte
(V) ziemlich genau im Zentrum. Nur bei dem ersten und letzten scheint der volle
Umfang im Marmor erhalten, die anderen sind z. T. ausgebrochen und verlaufen jetzt
im Gips; die Mitte des Ganzen ist mit schwarzem Verguß überschmiert. Diese Zapfen-
löcher beweisen zunächst, daß hier kein Dreifuß stand, und daß die Statue oder der
Homolle, Bull. Hell. XXI 1897, 616.
J) Auf einer ungefügen, aus mehreren Stücken zu-
sammengebundenen Lattenleiter von Länge
und 0,50 m Sprossendistanz konnte man zur
Not an den Oberblock gelangen, dessen Vorder-
seite ich im Mai 1906 vermaß. Die Oberseite
hatte dann Herr Dr. W. Aly, mit halbem Körper
überhängend, so gut es ging, vermessen und ge-
zeichnet. Seine damalige Skizze, für die ihm
hier der beste Dank wiederholt sei, ist in Abb. 2
wiedergegeben. Auf ihr waren jedoch nur die
Zapflöcher I, II, III in ihrer gegenseitigen Lage
eingemessen, d. h. mit beigeschriebenen Abstands-
maßen versehen, während die Lage von IV und
V lediglich aus dem Millimeter-Papier abgegriffen
werden muß. Da aber die linke und rechte Drei-
eckseite dort nur als 1,10 m lang gezeichnet sind,
wogegen ihre beigeschriebenen Längen 1,335
bzw. r,35 betragen, so fehlten an der Höhe des
Dreiecks auf der Skizze etwa 30 cm. Daß zu-
gleich mit der Dreieckspitze auch die Löcher IV
und V emporgeschoben werden müßten, erschien
zunächst selbstverständlich. Aber wenn die Rück-
seite des olympischen Nikeblocks volle 40 cm von
der Dreieckspitze entfernt bleibt (s. Abb. 6), kann
auch in Delphi Loch IV bis zu 50 cm von ihr abste-
hen, weil es schwerlich bis an die Hinterkante der
Bronze gereicht hat. Aus diesen Gründen habe
ich an Alys Skizze trotz der falschen Zeichnung
der Seitenlängen nichts geändert, außer daß
ich diese nur punktiert wiedergab, die richtigen
Dreiecksseiten aber voll hinzufügte. Doch ist
wohl Loch 1 mehr nach rechts zu rücken, als es
bei Aly gezeichnet ist.
H. Pomtow, Die Paionios-Nike in Delphi.
dessen Vervollständigung bei '). Weiteres wurde bis heute nicht bekannt gegeben.
Zehn Jahre darauf fanden wir in Delphi im Pydna-Saal des Museums den dreiseitigen
Pfeiler aus Gips- und Marmorblöcken aufgebaut, wie ihn Abb. I veranschaulicht. An
der Parallelität des Denkmals mit dem olympischen schien mir kein Zweifel möglich,
aber das zeitliche Verhältnis beider blieb nach wie vor ungewiß: waren sie wirklich
gleichzeitig oder war eins spätere Kopie (welches?), und war die delphische Statue
auch aus Marmor? Da inzwischen andere Gelehrte wie Keramopullos (Athen. Mitt.
I9°9, 51) und Bulle (mündlich und brieflich) die Identität der Denkmäler bestritten
und behaupteten, der delphische Pfeiler habe vielmehr einen Dreifuß getragen
(warum?), so soll nach weiteren zehn Jahren das seit 1906 gesammelte Material
vorgelegt werden, das auch für den Pfeiler in Olympia wesentliche Modifikationen
in Höhe und Aussehen zur Folge hat.
1. Die Bronzestatue und die Marmorkopie.
Der Oberprofil-Block mit den Zapfenlöchern. — Wie die meisten
Blöcke des Pfeileraufbaues im delphischen Museum besteht auch die profilierte
Deckplatte über dem hohen Schafte zum größten Teil aus Gips. Man wird daher
niemals zu genauen Vermessungen und Rekonstruktionen gelangen können, falls
jener Aufbau nicht wieder auseinandergenommen wird. Dies gilt nicht nur von
der Profil-Platte, sondern von allen Blöcken. Was sich über die erstere bei einer
kurzen Untersuchung in 9 m Höhe feststellen ließ 2), zeigt Abb. 2. Man erkennt
auf der Oberseite fünf große, sehr tiefe, unregelmäßige Einlaßlöcher für Eisen- oder
Bronzezapfen; das größte (I) etwa an der Mitte der mutmaßlichen Vorderseite,
drei andere (II—IV) nach den zwei Seiten und der Spitze des Dreiecks, das fünfte
(V) ziemlich genau im Zentrum. Nur bei dem ersten und letzten scheint der volle
Umfang im Marmor erhalten, die anderen sind z. T. ausgebrochen und verlaufen jetzt
im Gips; die Mitte des Ganzen ist mit schwarzem Verguß überschmiert. Diese Zapfen-
löcher beweisen zunächst, daß hier kein Dreifuß stand, und daß die Statue oder der
Homolle, Bull. Hell. XXI 1897, 616.
J) Auf einer ungefügen, aus mehreren Stücken zu-
sammengebundenen Lattenleiter von Länge
und 0,50 m Sprossendistanz konnte man zur
Not an den Oberblock gelangen, dessen Vorder-
seite ich im Mai 1906 vermaß. Die Oberseite
hatte dann Herr Dr. W. Aly, mit halbem Körper
überhängend, so gut es ging, vermessen und ge-
zeichnet. Seine damalige Skizze, für die ihm
hier der beste Dank wiederholt sei, ist in Abb. 2
wiedergegeben. Auf ihr waren jedoch nur die
Zapflöcher I, II, III in ihrer gegenseitigen Lage
eingemessen, d. h. mit beigeschriebenen Abstands-
maßen versehen, während die Lage von IV und
V lediglich aus dem Millimeter-Papier abgegriffen
werden muß. Da aber die linke und rechte Drei-
eckseite dort nur als 1,10 m lang gezeichnet sind,
wogegen ihre beigeschriebenen Längen 1,335
bzw. r,35 betragen, so fehlten an der Höhe des
Dreiecks auf der Skizze etwa 30 cm. Daß zu-
gleich mit der Dreieckspitze auch die Löcher IV
und V emporgeschoben werden müßten, erschien
zunächst selbstverständlich. Aber wenn die Rück-
seite des olympischen Nikeblocks volle 40 cm von
der Dreieckspitze entfernt bleibt (s. Abb. 6), kann
auch in Delphi Loch IV bis zu 50 cm von ihr abste-
hen, weil es schwerlich bis an die Hinterkante der
Bronze gereicht hat. Aus diesen Gründen habe
ich an Alys Skizze trotz der falschen Zeichnung
der Seitenlängen nichts geändert, außer daß
ich diese nur punktiert wiedergab, die richtigen
Dreiecksseiten aber voll hinzufügte. Doch ist
wohl Loch 1 mehr nach rechts zu rücken, als es
bei Aly gezeichnet ist.