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Justi, Carl
Winckelmann, sein Leben, seine Werke und seine Zeitgenossen: mit Skizzen zur Kunst- und Gelehrtengeschichte des 18. Jahrhunderts (Band 2,2): Winckelmann in Italien — 1972

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https://doi.org/10.11588/diglit.52964#0091
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§105. Ueberbttck.

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tung, Ende 1761 im Ganzen vollendet, traf im Frühjahre in Dresden ein,
erschien aber wegen des Kriegs leider erst vor Weihnachten 1763 im Drucke.
Kaum aber hatte er die beiden Quartanten in Händen, so sprach er schon
von der Nothwendigkeit einer neuen Ausgabe. Und da die starke erste nicht
sobald vergriffen war, so konnte er sich nicht enthalten, seine Zusätze und
Verbesserungen in einem besonderen Werk, den Anmerkungen (1766) bekannt
zu machen. Das Erscheinen einer französischen Uebersetzung (1765), das
Project einer englischen gaben den Anreiz zu einer vierten Bearbeitung, die
um dem alten Verleger zu entgehn, in französischer Sprache zu Berlin heraus-
komMen sollte. Die fast vollendeten Vorarbeiten sind zur Zeit verschwunden,
aber von den Herausgebern der Wiener Kunstgeschichte (1776) benutzt worden.
„Wie oft, rief Winckelmann schon im Frühjahr 1762, habe ich die
Geschichte der Kunst abgeschrieben, und wieviel Stöße von den ersten Ent-
würfen!" Die Ausmalung des Tableaus durch Einschaltung neugefundener
oder neuerkannter Denkmäler war es besonders, welche dieses Nachtragen
endlos machte. Sonderbar! gleich nach der ersten Skizze will er unter die
Presse (1758); und noch zehn Jahr später möchte er ein „ganz neues Werk"
daraus machen. So steht die Kunstgeschichte denn auch als eine sehr ungleiche
Arbeit vor uns: ein Gemälde, in dem einige Figuren bloße Umrisse ge-
blieben sind, während anderen die ausgesuchteste, earessirteste Vollendung zu
Theil geworden ist: classische Capitel, würdig der Nachwelt, und ganz provi-
sorisches, Noth- und Ausfüllungsskizzen.
„Wir finden ihn immer in Thätigkeit. Daß seine Werke so wie sie
da liegen, erst als Manuscript auf das Papier gekommen, und sodann später
im Druck für die Folgezeit fipirt worden, hing von unendlich mannichfaltigen
kleinen Umständen ab. Nur einen Monat später, so hätten wir ein anderes
Werk, richtiger an Gehalt, bestimmter in der Form, vielleicht etwas ganz
anderes" (Goethe).
Dieß lag auch in der Natur des Werks: es enthielt Dinge, mit denen
nie abzuschließen ist, und solche über die eine erste Intuition den Berufenen
endgültig erleuchtet. Das eine liegt in dem was man später den Geist der
Antike, und damals griechischen Geschmack nannte; dieß ist zugleich dasjenige
was von Winckelmanns eigenthümlichem Genius, seiner Empsindungsweise
abhing; es bezieht sich auf Eigenschaften, an denen die Werke des Alterthums
alle mehr oder weniger theilhaben. Es ist das philosophische. Das andere,
eigentlich historische ist bei einem beweglichen Forschergeist, einer so unerschöpf-
lichen Fundgrube gegenüber, und bei unablässigem Lesen der Alten, unver-
meidlich in stetem Werden begriffen; auch heute noch ist ja jede Kunstge-
schichte des Alterthums nur eine vorläufige. —
Dieses Werk nun, „an welches er alle Kräfte gewandt und alle Segel
 
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