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Zweites Capitel.
Die Geschichte der Kunst des Alterthums.
I. Präliminarien.

§ 105.
Ueb erblick.I
Der Gedanke eines Werks mit dem Titel „Geschichte der Kunst" war
Winckelmann unter den ersten Eindrücken der römischen Denkmälerwelt auf-
gegangen. Die Ausführung dieses Gedankens hat von da an nie ausgehört
ihn zu beschäftigen. Eigentlich ist das Werk nie zum Abschluß gekommen,
der Tod zerriß einen Faden, den er wer weiß wie lange noch fortgespon-
nen hätte.
Rom ist es gewesen, dem wir die Inspiration auch dieser Geschichte
verdanken, wie einst Villani's Chronik, zu feuer Zeit die Erzählung des
römischen Verfalls, und bald darauf die der römischen Anfänge. Zu den
Geistern verschiedener Art, welche den römischen Boden (nur Geistersehern
sichtbar!) umschweben, gehört vor allen die Muse der Geschichte. So uner-
reichbar groß, bis zum unfaßbaren, erscheinen hier die Reste alter Cultur,
so unermeßlich was durch eine fast ebenso unbegreifliche Zerstörung verschwun-
den ist, daß der Gedanke sich unser bemächtigt, das größte sei gewesen,
und das beste für uns, das tröstlichste, sei dieß Gewesene zu betrachten. In
Rom fühlt man sich mehr als auf irgend einem andern Fleck der Erde als
Angehöriger der alten Welt; und das Alter wendet sich rückwärts, der Jugend
zu, wie hohe Bäume ihre Wipfel dem Aufgang zuneigen.
Dieß Werk ist in mehreren, vier, zum Theil noch vorhandenen Bearbei-
tungen, Anläufen, zu seiner schließlichen Gestalt — die ihm nicht mehr sein
Urheber selbst ertheilte — herangewachsen. Die erste Kunstgeschichte war vor
den Reisen nach Neapel und Florenz fertig; äußere Umstände und erweiterte
Einsicht bestimmte den Verfasser zur Zurückziehung des schon übergebenen
Manuscripts des ersten Theils, im Herbst 1759; und eine zweite Bearbei-
 
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