Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Justi, Carl
Winckelmann, sein Leben, seine Werke und seine Zeitgenossen: mit Skizzen zur Kunst- und Gelehrtengeschichte des 18. Jahrhunderts (Band 2,2): Winckelmann in Italien — 1972

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.52964#0093
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
§ 106. Vorläufer.

77

hören hatten". Das wegen des darin gesammelten Stoffs bedeutendste Werk
über alte Kunst waren des Franz Junius drei Bücher von der Malerei
der Alten (zuerst 1637), denen 1694 ein Künstlercatalog folgte, der überein
Jahrhundert als Haupthülfsmittel des Studiums griechischer Kunst galt.
Zunius war eins der ersten Bücher, die sich Winckelmann in Rom anfchaffte.
Man spürt in diesem Werke eine Zeit, eine Umgebung, wo die Malerei des
höchsten Glanzes und Ansehens sich erfreute (vgl. II, 7, 3): cs ist geschrie-
ben in England, wo der Verfasser dreißig Jahre im Arundelschen Hause
lebte, und Carl I gewidmet; Rubens' und van Dycks beifällige Urtheile sind
vorgedruckt. Dieses in elegantem Latein geschriebene Werk ist eine Art Phi-
losophie der Kunst, nur daß des Autors Gedankengang sich bescheidet nichts
zu sein als der Faden, an dem elastische Aussprüche, Vorschriften, Beispiele,
Sentenzen aller Art die in näherer und entfernterer Beziehung zur Kunst
stehen, aufgereiht werden und zwar durcheinander aus allen Zeiten, von
Homer bis auf Proclus uud Isidor. Schon aus Hugo Grotius machte es
den Eindruck eines römischen Mosaiks, und Rubens bewundert die saubere,
schöne Ordnung, in welcher es Junius gelungen sei, diesen unermeßlichen
altertümlichen Gedankenschatz auszustellen. Trotz dieser philologisch compili-
renden Manier hat das Werk keinen historischen Character; nicht einmal
der Gedanke scheint ihm je gekommen zu sein, uns die eigentümlichen Kunst-
formen und Kunstzustände des Alterthums nahezubringen; „da er Rom nicht
gesehen (bemerkt Winckelmann), und die Kunst nicht sein Werk gewesen, so
hat er vieles nicht verstanden und aus vieles nicht gemerkt". Seine Erörte-
rungen schweben in einer gewissen allgemeinen Höhe über dem Gegenstand:
in der Moral und Pädagogik der Kunst, in den Grenzbezirken der bildenden
und redenden Künste ist er zu Hause; kurz sein Werk kommt aus der Bücher-
welt nnd wenvet sich an die Bücherwelt.
Zu der Zeit als Winckelmann an seinem Buche arbeitete, erschien das
Werk eines jungen Franzosen, der gleich nach dessen Erscheinen starb, —
Goguet's Ursprung der Gesetze, Künste und Wissenschaften (1758), ein
Werk dessen Werth er sofort erkannte und aussprach; er nennt „das ihm
wertste Buch" (ein Geschenk Usteri's) „eine von den besten Schriften nicht
allein der Franzosen, sondern auch unserer Zeit". Dieses Werk zieht in
den technologischen Abschnitten auch das Technische der schönen Künste heran;
aber sein Zweck ist Erklärung der Anfänge; der Gesichtspunkt seiner Un-
tersuchungen ist der des Anthropologen und Culturhistorikers, nicht des Aesthe-
tikers und des Liebhabers. Goguet wies u. a. darauf hin, daß es ein Welt-
alter gegeben, wo die zeichnenden Künste, welche jetzt dem Vergnügen und
dem Lurus dienen, den höheren, nützlichen Zweck hatten: Ausdruck von Ge-
danken, Ueberlieferung der Kenntnisse auf die Nachwelt zu sein, kurz die
 
Annotationen