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Justi, Carl
Winckelmann, sein Leben, seine Werke und seine Zeitgenossen: mit Skizzen zur Kunst- und Gelehrtengeschichte des 18. Jahrhunderts (Band 2,2): Winckelmann in Italien — 1972

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https://doi.org/10.11588/diglit.52964#0275
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§ 143. Das Jahr 1764.

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In Paris hörte man die erhabenste Schöpfung des Genius Gluck's, den
Orpheus; und der Capellmeister Mozart von Salzburg ließ seinen sieben-
jährigen Knaben Concerte geben, in welchen man, wie Grimm schrieb,
„Mühe hatte zu glauben, was man mit eigenen Augen sah und mit
eigenen Ohren hörte".
Aber der neue Tag der Kunst war noch fern: Canova war erst vier
Jahr alt, Thorwaldsen noch nicht geboren, erst zehn Jahre später ist Louis
David in Rom erschienen. —
Die Kunstgeschichte war dem Fürsten gewidmet, von dem man hoffte, daß
er die Pflege der schönen Künste jenseits der Alpen in besonnenerer und erfolg-
reicherer Weise als sein Vater fortsetzen werde, mit dem seine Bildung in
demselben Boden — einer italienischen Reise — wurzelte. Schon war durch
Gründung der Academie unter Hagedorns Direction ein neues System der
Kunstwirthschaft inaugurirt worden. Winckelmann war zum Aufseher des
Cabinets der Antiken bestimmt, die bisher ein todter Schatz gewesen waren,
nun aber durch ihn ein wichtiges Bildungsmittel werden sollten. „Us8 J.n-
tigus8 (bemerkte Hagedorn in seinen gutachtlichen Uollsxioiw sur I'stut
xressnt cktz8 urt8 6N 8uxs) 6XP08668 äun8 UN 8nlon, pei'8ONN6 N6 Isur
pourroit kllirs xln8 ä'llonnsnr gus 1'J.bbtz u Uoras, 6§ul6M6nt V6V86
äan8 lu Keiknes äs8 NeclniU^". Auch sonst hatte Jedermann sich der
Hoffnung überlassen, daß Friedrich Christians Regierung bestimmt sein werde,
die Wunden Sachsens zu heilen. Der Anblick der Zerstörung in Dresden,
bei seiner Rückkehr von München am 30. Januar 1762, hatte auf ihn einen
unauslöschlichen Eindruck gemacht.
Da kam als Neujahrsbotschaft die Kunde, daß Friedrich Christian nach
nur zwei Monaten und zwölf Tagen Regierung von den Blattern hingerafft
sei (ch 17. December 1763). „Ich weiß nicht, schreibt Winckelmann den
4. Januar an Weiße, was ich zum neuen Jahre wünschen kann, da nichts
zu hoffen ist, nach dem Fall des Prinzen, den Gott zum Heil seines Volks
nur gezeigt hat," — eine Anspielung auf Virgils Marcellus, die man schon
bei Marcel II gemacht hatte, der nur drei Wochen Pabst war (1555). „Gestern
haben wir diese Nachricht erhalten, die mir wie ein Schwert durch Mark und
Bein gegangen ist. Unersetzlicher Verlust! durch welchen ich zugleich auf immer
von Sachsen getrennt bleibe, wohin mich mit heimlicher Verläugnung aller
hiesigen Vortheile ein fast unüberwindlicher Zug rief, so daß ich alle meine
Ruhe hätte verläugnen können, um in der letzten Hälfte meines Lebens
wiederum einen Schulmeister und Kinderlehrer, was mein innerer Berus war,
abzugeben". . . Ihm zu Liebe habe er jenes Opfer wohl bringen wollen;
er habe eine überschwengliche Liebe zu dem göttlichen Prinzen gehabt, „welcher
das ähnlichste Bild von dem gütigsten Wesen war. . . Hier ist nunmehr meine
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