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Justi, Carl
Winckelmann, sein Leben, seine Werke und seine Zeitgenossen: mit Skizzen zur Kunst- und Gelehrtengeschichte des 18. Jahrhunderts (Band 2,2): Winckelmann in Italien — 1972

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https://doi.org/10.11588/diglit.52964#0276
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Zweites Buch. III- Nachträge und Nachklänge.

Hütte ausgeschlagen, und nach Verlust des anbetungswürdigen Prinzen, der
zum Heil seines Volks von Gott erkoren war, ist fast alle Neigung für das
Land . . . verschwunden".
§ 144.
Blick auf die letzten Jahre.
Winckelmann hatte nun das beste, das wichtigste, was er der Welt zu
sagen hatte, gesagt. Ein Ton der Beruhigung mußte sich über die folgenden
Jahre verbreiten, die ihm noch zugezählt waren im hohen Rom; wenige waren
es; — hatten die Götter ihm dem spätgebornen Griechen zu gefallen sich
ihres altgriechischen Charactersehlers, des Neids wieder erinnert? Er durfte
abwarten, daß das Echo dessen was er der Welt gesagt, das Echo des Ruhms
zu ihm zurückkehre: es blieb nicht aus. Seine Stellung in Rom war be-
festigt; mit Sachsen war es vorbei, die Thür Neapels schien für immer ver-
schlossen; für eine Reise nach dem Osten war er nun zu bequem. Jetzt war
und blieb er Römer. Aber während er in Italien nun ganz heimisch wird
und sich auch in der dortigen Lesewelt als Schriftsteller einführt, wird er
zugleich im Vaterland ein werther, hochgeseierter Name, alle deutschen Rei-
senden von Diftinetion, einige der geistig hochstehendsten Fürsten suchen ihn
im Palast an den vier Brunnen auf. Die nächsten drei Jahre — 1764,
1765, 1766 — waren leicht die glücklichsten, an menschlichen Beziehungen
reichsten seines Lebens. Nach der letzten Anspannung mochte er nun das
Ruder beihängen und sich vom Strom, vom Wind hintragen lassen. „Ich
habe, schreibt er an Marpurg den 13. April 1765, die Ruhe, in welcher
einer von den sieben Weisen das höchste Gut setzt, nach vieler Arbeit hier
erhalten, und da meine Wünsche allezeit sehr mäßig gewesen, so ist mir, was
wenige sagen können oder wollen, das hohe Loos zugefallen, mich rühmen zu
können, für mich nichts zu wünschen übrig zu haben". Wenn er sich dann
in der Villa am See Albano's, und am myrtenbewachsenen Ufer des latei-
nischen Meers, und dort vor dem Thor Salara angesichts des fernen
Hochgebirges der träumerischen Wonne südlicher Natur überließ und „eine
stolze Ruhe" genoß, dann sagte er sich, er lebe doch nun, „wie er es sich
ehemals nicht in Träumen wünschen können"; ersah ein, wie hier in Italien
„allein der einzige Hasen seiner Ruhe zu finden" gewesen. Dieß Gefühl der
Sabbathruhe, der Abendfeier war so über diese letzten Jahre des noch kräf-
tigen Mannes verbreitet, daß er sich eine Andachtsstunde täglich aussetzte:
„ich bringe eine halbe Stunde zu, ohne zu arbeiten, und dieses ist des
Morgens, wo ich meinem Glück nachdenke. Bei dieser Betrachtung singe ich
Lieder aus dem lutherischen Gesangbuch, wie mir dieselben einfallen, und bin
 
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