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Sittenbilder.

Jene Nüchternheit, „Frostigkeit" (trinlänä), von der die Spanier bei diesen srühern Bildern
sprechen, sie war der Fehler einer Tugend, einer freilich nicht eben poetischen Ehrlichkeit
des Künstlergcdächtnisses, welches das Anvertraute wörtlich bewahrte, nicht verflachte und
verfälschte, aber auch vor der Hand noch nicht veredelte und durchgeistigte. Obwohl er
aber von nnn an ohnc Pause für Klöster und Kapellen in Ansprnch gcnommen wurde,
so wäre es doch zu verwundcrn, wenn er in einer Stadt mit soviel Privatreichtum und
Luxus nicht auch zu Bildern Veranlassung gefunden hätte, wo er seine Modelle
in ihrcn eigenen Rollen gab. Sein nnbefangcner Blick in die Natur, sein Sinn für das
Heitere, Gemütliche berief ihn zum Sittenbild.

Dergleichen Stücke gehörten von jeher zu seinen beliebtesten; da sie nicht an
Stiftungen gebnnden waren, so hat sie das Ausland bald entführt, schon am Ende des
Jahrhunderts waren wenige mehr in Spanien zu sehen. Wie groß die Nachfrage war,
bcweisen die Nachahmnngen und Fälschnngen, deren viele im vorigen Jahrhundert, be-
sonders in England unter seinem Namen gestochen worden sind.

Sie bewegen sich meist in einem engen Gebiet, das sonst in den Niedcrlanden
weniger, öfters aber bei Jtalienern und Franzosen vorkommt: Crispi, Piazzetta,
Magiotto, die Le Nain. Lebensgroße Gruppen oder Einzelfiguren in Sitnationen, jMusIos,
Knaben und Mädchen, in dem Alter, wo die Formen gestreckt werden, mit den Ankauf
vder Vertrieb von Gartenprodnkten betraut. Sie befinden fich auf dem Weg zum
Markt oder von da nach Hause; Offerten trifft man nur bei Einzelfiguren; auch hier
fehlt das Bedürfniß des Dramatischen. Sie zählen den Rest oder Gewinn, verspielen
ihn anch, sind ihre eignen Kunden und Gäste; gelegentlich wohl mit minutiösen
Einzelheiten ihrer Toilette beschäftigt. Die Wahl dieser Marktmotive sagt uns schon,
daß die Stimmung solcher Bilder keineswegs sentimental ist, wie bei Chardin oder Gains-
borongh. Da er Hunderten von Kindern Engelrollen beizubringen hatte, so war es
ihm eine Erholung, ein Kontrastbedürfnis, sie gelegentlich in ihrem hänslichen Werktags-
röckchen zu zeigen. Die Natürlichkeit dieser Gruppen ist so vollkommen, daß viele die hier
aufgewandte Kunst übersehen, man merkt nicht, daß dergleichen nur der geübte Historien-
maler machen kann.

Kein richtigeres Bauernmädel ist je gemalt worden als das schwarzäugige Kind mit
dem Korb Orangen und Orangenblüten (Galerie Choiseul, Ermitage. Fig. 4). Halb
zutraulich, halb verlegen lacht sie den Kunden an, die Hand mit dem Zipfel des Kopf-
tuches an die Wange drückend. Der Knabe im Gegenstück hält ein Strohkörbchen mit
leeren Schalen, dem Hündchen, das begehrlich zu ihm aufsieht, scheint er zuzulachen: „Ja
mein Liebster, ich bin jetzt so abgebrannt und hohlmagig wie du." (Fig. 5.)
 
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