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Die Allerreinste.

und den Sinnbildern, letztere in einem Zierrahmen. So auch bei dem Sevillaner Juan
de las Roelas, wo die Symbole in einer Landschaft malerisch verstreut sind. Jmmerhin
blieb die Gestalt nur das Subjekt der sie als Prädikate umringenden Zeichen, ein künst-
lerisch verschleiertes Bilderrätsel.

Da aber die Begeisterung für den Marienkultus, die llnö-tlsar hispanischer Devo-
tion, gerade diese Lehre zu ihrem Schiboleth erkoren hatte, so mußte das Verlangen ent-
stehen, die Sprache des Verstandes durch die der Wärme der Verehrer homogcnere Sprache
der Empfindung und Anschauung zu ersetzen, mrd hierzu war uun die zugleich natura-
listische und schwärmerische Kirchenmalerei des siebzehnten Jahrhunderts ganz berufen.
Die Beseitigung der Symbolik scheint von Jtalien ausgegangen zu sein. Guido, der
sich der alten Darstellung mit dem Prophetenchor in einem mächtigen Bilde angeschlossen
hatte, bringt auch bereits die einsam in Wolken schwebende Gestalt (Bridgewater Gallery).
Murillo aber hat alle überflügelt, indem er das starre, im goldenen Lichte eines himm-
lischen Adyton erscheinende Bild durch den Zauber seiner Beleuchtungskünste, durch die
Lebendigkeit und Frische örtlicher Formen, durch Gebärde und Ausdruck belebte.

Seine Purtsima ist eine sanftbewegte, leichte Gestalt, im Begriff, den dämmerig-
nächtlichen Tiefen der irdischen Lufthülle zu entschweben, das Antlitz strahlend im Lichte
der Region, zu der sie die Augen erhebt, und die sie emporzuziehen scheint, wie Dante
die Augen Beatricens. Der blaue Mantel ist vom Luftzug geschwellt und zur Seite
gerissen. Die Gestalt tritt also sehr nahe dem Bilde der Asunta, mit der sie auch wohl
verwechselt worden ist. Doch wird diese weniger jugendlich genommen und kaum ohne
den Apostelchor. Man erinnert sich aber, daß auch Raphael die Gestalt seines ver-
klärten Christus durch die des emporschwebenden Auferstandenen gefunden hatte. Die
in feierlicher Stille knieenden Engel haben sich in kleine Kinder verwandelt, hauptsächlich
bestimmt, als heitere Versinnlichung des Zugs nach oben, sich in Wolkcn zu tummeln:
zur Andacht finden sie selten Zeit. Die Meinung ist: alles soll Leben atmen im Umkreis
der Göttlichen, und doch soll nichts ihre Einsamkeit unterbrechen. Die Sinnbilder, wo
sie nicht ganz fehlen, werden ihnen als Spielzeug überlassen, als hättcn sie den altcn
mystischen Park dort unten geplündert.

Die Augen sind entweder in alter Weise demütig gesenkt oder selig empor-
gewandt, die Hände bald im Gebet erhoben und genähert, mit den Fingerspitzen sich
berührend, bald Arme und Hände auf der Brust gekreuzt. Jn der ersten Klasse erscheint
die Reine wie im Gespräch mit dem Schöpfer, da nach christlicher Anschauung voll-
kommene Menschheit nicht ohne Gemeinschaft mit Gott zu denken ist. Jn der zweiten
Gruppe erhebt sie das Haupt zu dem in ihrem Auge widerstrahlenden Licht. Dies ist
eine Auffassung, die er später bevorzugte.
 
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