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Die Gemälde der Caridad.

fallendem Pomp.*) Alles dies scheint nur da zu sein, um zu zeipen, wie hoch Murillo
über seiner Zeit stand.

Von ihm sind zwei Altargemälde: die heil. Elisabeth nnd der heil. Johann de
Dios; sechs Gemülde kamen, als Ersatz der Wandmnlerei, an die obere Wand des Schiffs;
an der Evangelienseite: Mose und das Wasser aus dem Felsen (las nAoas äs Noisss),
der Besuch der drei Engel bei Abrahnm dem Patriarchen, die Heimkehr des verlorenen
Sohnes; an der Epistelseite: die Speisnng der Fünftausend, der Lahme am Teiche Be-
thesda, Petri Befreiung. Jn der Sakristei noch eine Zeichnung: Tobias die Leichen der
Hingerichteten verbrennend. Endlich drei Bilder über Altären, ohne Beziehung zu der
besonderen Bestimmung des Ortes: eine anmutig heitere Annunziata in goldenem Licht-
meer; der nino vios, einjährig, mit der Weltkugel, mnd ein Johannesknabe mit reichen
krausen Locken: beide das Entzücken aller Mütter. Für alle zusammen erhielt er
78115 Rcalen.

Jene acht waren bestimmt, die Zwecke der Stiftung zu veranschaulichen: die Be-
herbergung, Pflege und Heilung der Kranken, die Speisung und Trünkung der Hnng-
rigen und Dürstenden, die Gastsreundschaft gegen Pilger, den Besnch der Gesangenen,
die Vergebung: ein Kompcndinm des praktischen Christcutums, gepredigt durch Vorgängc
aus der biblischen Historie und Parabel und aus der Legende der Heiligen.

Die beiden umfangreichsten Stücke (ll'6" x 18') stehen (dank den technischen
Schwierigkeiten dcr Wegführung) noch heute an ihrem Platz: die Caritas, massenhaft aus-
geübt von den Religionsstiftern selbst, wohl zugleich als Sinnbild: Rettnng vor dem
geistigen Verschmachten, der Zweck der großen Volksreligionen. Der Schauplatz ist in
beiden die Wüste, ein starres Meer von Felstrümmern und Schluchtcn, ohne Mittel-
puukt und Grenze, beleuchtet und zugleich entfärbt durch den Widcrschein der schweren
Wolkenmassen; der Ton ist demgcmäß etwas grau und trocken. Das alttestamcntlichc
Bild ist das bewegtere, heitere, farbigere, sein Gesichtskreis beschrünkter, die Zahl der aus-
führlichen Figurcn grvßer. Pcr 8oäh so nennt man dort das Bild, versetzt uns mitten
ins Gewühl der Menge. Der Not ist schon abgehvlfen, der Wunderthüter erhebt
dankend Augen und Hünde. Der dunkle Fels in der Mitte (eine Ansicht des nümlichen
Horebfelsens, an den die Ortslegende des S. Katharinenklosters das Ercignis verlegt)
teilt die Menge in zwei ungleiche Hälften. Auch etwas Lokalfarbe des Orients ist be-
absichtigt: Turban, Burnus, Kamcle. Sonst aber ist alles etwa so, wie es der Maler
an den Brunnen des Landes in der Sommerdürre gesammelt haben konnte. Bei aller

*) Murillv, als er diese grausigen Ausgedurten des jetzt iu Spanien etwas überschätztcn Malers
sah, sagte: „Gevatter, wenn man diese eure Bilder sieht, muß man sich die Nase zuhalten"; was der
eingelüldete Dickkopf als Kmnpliment nahm.
 
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