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Die Gemälde der Caridad.
Dunkel auf zwei Krückeu heran. Davor, links, sitzt ein Mann, der die Verbandlappen
eines bis zum Knochen durchgesressenen Schadens am Schienbein abschält, man sieht das
rote Loch. Der Eindruck der mit Absicht in ekelerregenden Beispielen gewählten Ge-
bresten wird noch empfindlicher durch die Vorstellung, daß dergleichen hier zarten, rein-
lichen jungen Frauen in jeder Beziehung sinnlich sich aufdrängt. Nicht jedoch aus Lust am
lmrck-Aoüt oder aus tendenziöser Freude am Ärgernis der Philister hat der Maler solche
Hospitalstudien hier aufgenommen. Sollte er ekler sein als die Fürstin, welche dicse
Dienstleistungen sogar gesucht hatte? Nein, wir sollen sehen: dies ist keine in fürst
lichen Palästen hergebrachte Gründounerstagsceremonie, es ist harte Berufsarbeit dcr
barmherzigeu Schwester, ohne Phrase. Auch sonst sind die Kranken echt, ohne Schcin-
heiligkeit, selbst darin, daß sie, für die heroische That der Fürstin ohne Gefühl, diese Be-
dienung wie etwas Gebührendes hinnehmen. Die Auffassung der gekrönten Dame zeigt
den denkenden Künstler. Es liegt in diesen bleichen, zarten, übrigens sehr nationalen Zügen
nichts von dem so natürlichen Schauder, nichts von Selbstüberwindung, aber auch nichts
von der Abhärtung des Krankenpflegers von Beruf. Jst die religiöse Jdee, welche sie
beherrscht, wie ein grelles Licht, das gegen die Sinneseindrücke blind macht? Schreitet
sie wie eine nachtwandlerische Schwärmerin durch dies alles hin? Vielleicht soll es auch
nur die entschlossenc Resignativn sein, deren die weibliche Natur in Aufopferung fähig
ist. Der weiße Witwenschleier, auf dem das Krönchen sitzt, giebt ihr etwas Nonnenhaftes.
Der feine Beobachter verrät sich in den Figuren ihrer Umgebung. Die Hofdamcn
stehen dieser Schwärmerei fern, aber folgsam, gutmütig machen sie mit, ohne erbaut
scheinen zu wollen. Die, welche das Brett mit Arznei und Verbandzeug Hält, wendet das
Gesicht leicht ab. Die Dueüa, welche den mit Brille bewaffneten Kopf aus dem Dunkel
hereinsteckt, vielleicht die Camarera mayor, mag denken, daß doch des Guten zu viel ge-
schehe und möchte ihr Basta! hineinrufen. Der Gegensatz dieser reichen, gesunden, sorgen-
besreiten Menschheit mit jener in jeder Beziehung verkommenen ist auch in der Farbe durch-
geführt. Die Gruppe der vier Damen erhält durch den Schatten der Halle ein leicht gedämpftes
Helldunkel, in dem kühle lichtschwache Farben herrschen: verschiedeue Arten Blau, Purpcir,
Graulila, und ein Stück brennendes Rot als Kontrast. Jn der Krankengruppe wiegt kräftiges
Braun vor, mit grellen Lichtern.
Zur Rechten öffnet sich ein Durchblick nach der Gartenseite des Palastes, auf der
die Mittagsglut lagert. Es ist, aus dem Flügel am andern Ende zu schließeu, eiue sehr
lange Frvnt, in einfach großem, fürstlichem Geschmack. Aus der (nicht sichtbaren) Wand
tritt eine Halle mit drei weiten flachen Bogen heraus. Unter ihr findet das Gastniahl
der Kranken statt (wie es scheint, dieselben) bedient von der Landgrüfin, mit bekannter
geistreicher Meisterschaft skizzirt.
Die Gemälde der Caridad.
Dunkel auf zwei Krückeu heran. Davor, links, sitzt ein Mann, der die Verbandlappen
eines bis zum Knochen durchgesressenen Schadens am Schienbein abschält, man sieht das
rote Loch. Der Eindruck der mit Absicht in ekelerregenden Beispielen gewählten Ge-
bresten wird noch empfindlicher durch die Vorstellung, daß dergleichen hier zarten, rein-
lichen jungen Frauen in jeder Beziehung sinnlich sich aufdrängt. Nicht jedoch aus Lust am
lmrck-Aoüt oder aus tendenziöser Freude am Ärgernis der Philister hat der Maler solche
Hospitalstudien hier aufgenommen. Sollte er ekler sein als die Fürstin, welche dicse
Dienstleistungen sogar gesucht hatte? Nein, wir sollen sehen: dies ist keine in fürst
lichen Palästen hergebrachte Gründounerstagsceremonie, es ist harte Berufsarbeit dcr
barmherzigeu Schwester, ohne Phrase. Auch sonst sind die Kranken echt, ohne Schcin-
heiligkeit, selbst darin, daß sie, für die heroische That der Fürstin ohne Gefühl, diese Be-
dienung wie etwas Gebührendes hinnehmen. Die Auffassung der gekrönten Dame zeigt
den denkenden Künstler. Es liegt in diesen bleichen, zarten, übrigens sehr nationalen Zügen
nichts von dem so natürlichen Schauder, nichts von Selbstüberwindung, aber auch nichts
von der Abhärtung des Krankenpflegers von Beruf. Jst die religiöse Jdee, welche sie
beherrscht, wie ein grelles Licht, das gegen die Sinneseindrücke blind macht? Schreitet
sie wie eine nachtwandlerische Schwärmerin durch dies alles hin? Vielleicht soll es auch
nur die entschlossenc Resignativn sein, deren die weibliche Natur in Aufopferung fähig
ist. Der weiße Witwenschleier, auf dem das Krönchen sitzt, giebt ihr etwas Nonnenhaftes.
Der feine Beobachter verrät sich in den Figuren ihrer Umgebung. Die Hofdamcn
stehen dieser Schwärmerei fern, aber folgsam, gutmütig machen sie mit, ohne erbaut
scheinen zu wollen. Die, welche das Brett mit Arznei und Verbandzeug Hält, wendet das
Gesicht leicht ab. Die Dueüa, welche den mit Brille bewaffneten Kopf aus dem Dunkel
hereinsteckt, vielleicht die Camarera mayor, mag denken, daß doch des Guten zu viel ge-
schehe und möchte ihr Basta! hineinrufen. Der Gegensatz dieser reichen, gesunden, sorgen-
besreiten Menschheit mit jener in jeder Beziehung verkommenen ist auch in der Farbe durch-
geführt. Die Gruppe der vier Damen erhält durch den Schatten der Halle ein leicht gedämpftes
Helldunkel, in dem kühle lichtschwache Farben herrschen: verschiedeue Arten Blau, Purpcir,
Graulila, und ein Stück brennendes Rot als Kontrast. Jn der Krankengruppe wiegt kräftiges
Braun vor, mit grellen Lichtern.
Zur Rechten öffnet sich ein Durchblick nach der Gartenseite des Palastes, auf der
die Mittagsglut lagert. Es ist, aus dem Flügel am andern Ende zu schließeu, eiue sehr
lange Frvnt, in einfach großem, fürstlichem Geschmack. Aus der (nicht sichtbaren) Wand
tritt eine Halle mit drei weiten flachen Bogen heraus. Unter ihr findet das Gastniahl
der Kranken statt (wie es scheint, dieselben) bedient von der Landgrüfin, mit bekannter
geistreicher Meisterschaft skizzirt.