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Der Künstler und der Mensch.

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keiner zu erspühen, den man im Ernst mit ihm vergleichen möchte. Der Eindruck, den er
aus die Maler seiner Tage machte, spricht aus der Erzählnng Palominos von jenem
Antonio del Castillo, der, gewohnt in Cordova als der erste zu gelten, als er 1666
nach Sevilla kam, sich vor seines ehemaligen Mitschülers Werken wie vernichtet fühlte;
bcfragt, sagte er bloß: Va mnrio On8tiI1o! (Castillo ist schon todt!) und starb wirklich
bald darauf.—Der Hof Philipps IV. und Carlsll, hat ihn kaum beachtet; erst unter den Bour-
bonen kamen seine Bilder nach SanJldefonso; die italienische Jsabel Farnese scheint ihn znerst
geschätzt zu haben. Aber damals war sein Name auch bereits über die Pyrenäen gedrungen;
Palomino erfuhr, daß im Auslande seine Sachen schon höher als Tizian und Rubens bezahlt
würden. Jn die lateinische Ausgabe von Sandrarts Werk (1683) ist sein Bildnis und
Leben bereits aufgenommen, das in der deutschen(1679) noch fehlte. Die Spanier der Zopf-
zeit haben, wie man aus der Charaktcristik bei Ccan Bermndez (II 56) sieht, mit sachlich-
unbefangenem Blick Umfang und Merkmale seines künstlerischen Verdienstes bestimmt.
Wahrheit des Fleisches, Kraft des Lichts, sanfte Vertreibung der Umrisse, allgemeine
Harmonie der Tinten, das sind die Eigenschaften, wclche die nüchternen Kritiker Meng-
sischer Richtung ihm zuerkannten. Seit dann im Verlaufe der Napoleonischen Kriege
cin Teil der besten Werke zerstreut wurde, begann erst sein Triumphzug bei der Nach-
wclt, Damals pries ein Deutscher, von Paris her, „den dreifach harmonischen Namen,
welcher alles, Dichtung, Liebe, Andacht, Schönheit, Verzückung, Zartheit und Anmut
bedeutet". Erst in diesem Jahrhundert, das auch in der Kunst sich damit eröffnet,
daß alle „alten Formen einstürzen", kam dann die Zeit überspannt nebelhafter Verherr-
lichung und unbillig harter Anfechtung. Von dorther, wo jener höchste Preis für
cines seiner Werke bezahlt wurde (1852), ging auch die Herabsetzung ans. Der Aufsatz
ciner Revue (1861), der, so leicht sein Gewicht, in Spanien aufregte, sprach ihm Genie
völlig ab. Er ist nichts, als eben ein „guter Maler", in dcm die Fachmünner wohl
Geschicklichkeit und Reiz finden, aber weder jene Kraft, die ihnen Achtung abnötigt, noch
das Wissen und die Originalität, welche fie fesseln. Ein Maler für Francn und
Frömmler, Auch in England, wo er am frühesten bekannt und beliebt gewesen war,
hörte man nun, von wahrer und hoher Jnspiration, religiöser oder dichterischer, dürfe
bei ihm gar nicht gesprochen werden. Sein Fach sei das humoristisch-sittenbildliche,
„irdisch, und von der Erde, hat er in seiner Art mystische und geistliche Stoffe behandelt,
aber kcin Malcr hat wcniger Mystik und SpiritnaliSmns besesscn." (Athenäum 1875. 77.)
Aber auch sein Realismus wird heute beanstandet, unsere Ansprüche sind eben sehr ge-
stiegen. D'Argenville fand einst in ihm eine Wahrheit, Mi no xsnt tztro stkavos c^ns
x>g.r 1a nalnrs mßms; jetzt hört man: mit den geflickten Bettlermünteln und den Schwielen
der Ferse sei es nicht gethan, dabei könne man doch konventionell sein.

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