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Čižek, Franz [Hrsg.]; Kastner, Hermann [Hrsg.]
Das freie Zeichnen: ein Weg für den Unterricht im Zeichnen nach Natur- und Gebrauchsgegenständen — Wien, 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.20028#0005
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ZUM GELEIT

Der in diesem Buche so Verständnis- und liebevoll bearbeitete Unterrichtsvorgang des
Zeichnens nach Natur- und Gebrauchsgegenständen hat seinen Ursprung in einer
Reihe von Lehrerfortbildungskursen, die von verschiedenen Persönlichkeiten geleitet,
ein umfangreiches, verschiedenen geistigen Einstellungen entspringendes Studien- und
Erfahrungsmaterial zeitigten.

Als ich im Jahre 1903 die Leitung der Kurse übernahm, war es zunächst meine
Aufgabe, das vorgefundene Material einheitlich zu orientieren, es ganz bestimmten
Unterrichtszielen nutzbar zu machen und Allzutheoretisches durch praktische Material-
gestaltung zu ersetzen.

Diese Fachkurse waren mit Versuchen ausgefüllt, den gegenständlichen Zeichen-
unterricht auf neuere Grundlagen zu stellen, ihn zu verlebendigen und die Lehrer durch
Anregungen zur Erarbeitung reicher, zweckdienlicher Erkenntnisse zu führen, ohne vor-
erst eine Methode anzustreben. Die Versuche wurden immer so angestellt, daß sie ent-
weder von der zeichnerischen Anregung ausgingen und in der Materialgestaltung ihren
Abschluß fanden, oder die Zeichnung diente als Kontrolle und Korrektur der Werksarbeit.
Immer aber sollten die Lehrer auf die praktische Verwendung Bedacht nehmen und
bestrebt sein, die Versuchsergebnisse den jeweiligen Zielen und Zwecken der verschiedenen
Schulgattungen anzupassen und die einzelnen Schülerindividualitäten ihren Fähigkeiten
entsprechend zu berücksichtigen.

Durch diese Fachkurse sollte eine Lehrerschaft herangebildet werden, die stetig an
sich weiterbauend imstande wäre, den Zeichenunterricht als lebendigen Organismus der
Praxis dem Leben nutzbar zu machen und ihn auf bestimmte Ziele einzustellen.

Wegen großer Inanspruchnahme in meinen eigentlichen Wirkungsgebieten war
ich 1907 genötigt, diese organisatorische Tätigkeit aufzugeben und die Leitung der Fach-
kurse — im Einverständnis mit dem Ministerium — dem ausgezeichneten Fachmanne
Schulrat Hermann Kastner zu übergeben. Dieser begnügte sich allerdings nicht damit,
die Kurse gewissenhaft weiterzuleiten und das Übernommene sorgsam zu hüten, sondern
er war in der günstigen Lage, gleichzeitig an verschiedenen Schulgattungen Zeichen-
unterricht zu erteilen und so alle in den Kursen gemachten Erfahrungen und erarbeiteten
Erkenntnisse sofort auf ihre schultechnische Verwendbarkeit nachzuprüfen. In immer-
währender Weiterarbeit ergaben sich notwendigerweise Erweiterungen, Einschränkungen
oder innigere Anpassungen, die lebendigen Wechsel brachten und so die methodischen
Anregungen zu einem sich immer wieder erneuernden organischen Ganzen zusammen-
wachsen ließen. Gerade die erfreulichen Erfolge Schulrat Kastners auf dem Gebiete der
Erneuerung des Zeichenunterrichts, die er auch verstand, schriftstellerisch weiteren Kreisen
zugänglich zu machen, ließen ihn geeignet erscheinen, die hier besprochenen Neuerungen
und Lehrvorgänge in Buchform herauszugeben, wobei die während der verschiedenen
Kurse entstandenen Tafeln ein besonders geeignetes Illustrationsmaterial lieferten.

Das Wesentliche der in diesem Buche behandelten Methode besteht darin, daß sie
analytisch die Erscheinungseigenschaften einzeln behandelt, um schließlich in deren
Synthese die Gesamterscheinung zu gewinnen, wodurch eine Vertiefung des Studiums
sowohl wie der Darstellung angestrebt wird. Eine weitere Charakteristik des Lehr-
vorganges bildet die Absicht, niemals die Zeichnung um ihrer selbst willen machen zu
lassen, sondern immer nur im Anschluß an die Werkarbeit oder Materialgestaltung.

Es wäre ein Mißverständnis — und gewiß nicht in der Absicht des Verfassers
gelegen —, wenn die Methode so aufgefaßt werden würde, daß der Schüler bei jedem

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