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Jerchel, Heinrich [Hrsg.]; Brandenburg <Provinzialverband> [Hrsg.]
Die Kunstdenkmaeler der Provinz Brandenburg (Band 3,4): Die Kunstdenkmäler des Kreises Niederbarnim — Berlin: Dt. Kunstverl., 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.45209#0013
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Töpfereiwerkstoffen aufgedeckt werden konnten, so wirkt sich das germanische Formschaffen in der Bronze-
bearbeitung aus. In ihr wird uns zugleich die Verschiedenartigkeit der Volkscharaktere bewußt. Bei den Illy-
rern fehlen den Gräbern Waffenbeigaben, von Kleinwaffen (wie Pfeilspitzen) abgesehen. Ihre Siedlungen
suchen überall natürlichen Schutz hinter Fließ- und Moorgürteln. Wo dieser nicht ausreicht, errichten sie starke
Burgwalle wie in der Alt Landsberger Forst und bei Birkenwerder, oder Schanzen wie bei der Spitzmühle
zwischen dem Bötz- und Fängersee. Beweisen diese Erscheinungen, daß die Illyrer in stetem Abwehrkampf auf
Verteidigung bedacht sein müssen, so zeugen die germanischen Funde von Kampffreudigkeit und Angriffsgeist,
4, 7 so die Griffzungenschwerter von Wensickendorf und Oranienburg, der Bronzehelm von Oranienburg, die
6 Lanzenspitzen, Tüllenaxte und Messer. Wie diese Waffen, so sind auch die größeren Schmuckstücke aus Bronze
5 auf den germanischen Kreistest beschränkt. Unter ihnen steht die prachtvolle Gürtelschmuckdose von Oranien-
burg, Eigentum einer germanischen Herrin, an erster Stelle. Vom gleichen Fundort stammen eine Spiralhafte
9 und zwei prunkvolle Plattenfibeln. Auch der fundreiche Liepnitzwerder hat zwei solcher Haften geliefert, ferner
eine Ringscheibe, vielleicht ein Zaumschmuck, zwei Armringe und eine Spirale. Die jüngste Stufe, die bereits mit
der südwestdeutschen Eisenzeit gleichläuft, zeigt auch hier eine gewisse Geschmacksverwilderung. Von ihr
7 zeugen die Hohlwülste von Hohen Neuendorf, bei denen nicht mehr auf Sachlichkeit und Echtheit, sondern auf
prahlerischen Schein der Hauptwert gelegt wird. Als Einfuhrgut der Spätzeit dürfen wir die beiden Bronze-
iv kessel von Hennickendorf und Zepernick ansehen, die im Süden beheimatet sind.
Ein Klimasturz in der älteren Eisenzeit wird schließlich die Ursache der altgermanischen Völkerwanderung.
Steigendes Grundwasser ertränkt die Niederungöweiden und fördert den Bruchwald, stärkere Niederschlags-
mengen lassen den Hochwald über die bisherigen Grenzen hinausgreifen. Der beengte Nahrraum faßt schließ-
lich die wachsende Volkskraft nicht mehr und führt zur Abwanderung der jüngeren Geschlechter. Die Bewe-
gung reißt zuletzt die Mehrheit der Germanen mit; Acker und Saatkorn heißt die Forderung, die sie nach Süden
und Südwesten tragen. Da der Klimawandel auch die natürliche Völkergrenze zwischen Germanentum und
Jllyrertum so verstärkt, daß sie von neuem undurchdringlich wird, umgehen die Germanen sie südwestwärts
und havelabwärts und überfluten den Teltow. Von hier aus greifen Volköteile nordwärts über die Spreepässe
von Berlin und Köpenick in den Barnim hinein. Andere drücken nach Osten auf das Land Beeskow. Aber auch
von Osten, wenn auch vorerst noch fern, droht Gefahr für die illyrischen Siedlungen. Ostgermanen dringen
von hier westwärts, selbst geschoben von neuen Germanenscharen, die von dem skandinavischen Norden aus
in der Weichselmündung gelandet waren und von der Niederung aus Raum suchten. So laufen die Barnim-
illyrer Gefahr, abgeschnitten zu werden. Sie geben daher zwischen 500 und 400 vor der Zeitwende ihre bis-
herigen Sitze auf und wandern nach Südosten ab. Damit verödet der illyrische Südostteil des Kreisgebiets,
da die Germanen bis zu ihm nicht gelangen. Ihre Hauptstoßrichtung ist ja der Südwesten, und nur weil hier
vorerst natürliche Hindernisse die Bewegung hemmten, floß der Rückstau wohl überhaupt in den südwestlichen
Barnim hinein. Das Siedlungs- und Kulturbild der Jungeisenzeit des Niederbarnim ist daher reichlich un-
zulänglich. Einigermaßen geschlossene Funde liegen nur von einem Gräberfeld und der zugehörigen Siedlung
bei Klandorf und einer Siedlung bei Mühlenbeck-Mönchsmühle vor, deren Gräberfeld wohl auf Groß Ber-
liner Boden liegt. Manche Anklänge an, die frühere Kultur beweisen, daß die Entwicklung ohne Abbruch
weitergegangen ist. Dagegen zeugen die neuen Formen im Gefäßbestand und in den Schmuckbeigaben von
dem Einfluß der Latenekultur, in der vorläufig vielfach das Schöne hinter dem Sachlichen zurücktreten
muß, weil die Schwierigkeiten der neuen Schmiedetechnik alle Gestaltungskraft verzehren. Die Metallfunde
sind überwiegend schlicht und zweckmäßig; allerdings darf nicht übersehen werden, daß der Erhaltungs-
zustand der Eisenfunde viel ungünstiger als der der Bronzesachen ist und daher manches geringwertiger er-
scheint, als es sich ursprünglich dargeboten haben wird. Unter den Gefäßen verdienen die Deckschüsseln und
Tondeckel mit gedrilltem Rand und aufgewölbtem Boden Beachtung. Als Zierat begegnen Gehänge und
Girlandenmuster und Tupfenreihen, soweit man bei den hochgegliederten Töpfen nicht ganz auf Schmuck
verzichtet.
Die germanische Abwanderung hielt auch noch nach der Zeitenwende an. Nur ein schmaler Strich des Kreises
weist jetzt noch eine dünne Besiedlung auf. Kennzeichnende Gesäßfunde aus den beiden ersten Jahrhunderten
 
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