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Jerchel, Heinrich [Hrsg.]; Brandenburg <Provinzialverband> [Hrsg.]
Die Kunstdenkmaeler der Provinz Brandenburg (Band 3,4): Die Kunstdenkmäler des Kreises Niederbarnim — Berlin: Dt. Kunstverl., 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.45209#0019
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fielen die bis dahin errungenen und gefestigten Grenzgebiete des Markgrafentums wieder an die Pommern
zurück; 1Z26 brachen die Polen inS Land ein; die Anhänger der neuen bayerischen Markgrafen stießen auf den
Widerstand der Stände, und Uneinigkeit schwächte alle Versuche zur Gegenwehr nach außen wie nach innen,
als 1Z48 der Streit um den „falschen Woldemar" immer neue Verwirrungen und Nöte entfesselte. Die am
Schicksal des Landes wenig interessierten bayerischen Ludwige entzogen ihm für eigensüchtige Zwecke seine
Geldmittel, und nur die Städte konnten durch geschickte Geldleihpolitik ihre Rechte in dieser Zeit erhalten oder
gar vermehren. Als Anzeichen bürgerlicher Initiative ist auch die 1Z25 erfolgte Gründung des Bernauer
Georgenspitals sowie die Stiftung neuer Altäre in der dortigen Stadtkirche in den Jahren 1ZZ9 und 1Z45 zu
werten. Zu dem 1Z49 zusammengeschlossenen Städtebund gehörten außer Bernau auch Liebenwalde und Alt
Landsberg. Erst 1Z55 durch den Verzicht der Anhaltiner auf die Mark kamen diese Unruhezeiten zu einem
gewissen Abschluß.
Eine ganz neue Epoche der Gebietsgeschichte schien mit dem Übergang der Marken von den Wittelöbachern an
den Luxemburger Karl IV. von Böhmen i zxz anbrechen zu sollen. Von seiner staatsmännischen Fürsorge zeugt
das 1Z75 in Angriff genommene Landbuch, dessen Angaben für viele Kreisorte die älteste Quelle darstellen. —
Schon aber nach Karls Tode (1578) wurde die Mark infolge Verpfändung an Jost von Mähren neuen Wirren
und schonungslosen Schädigungen ausgesetzt; vor allem erhob jetzt der Pommernherzog Swantibor Ansprüche
und verbündete sich dazu auch mit Teilen der Barnimer Ritterschaft. Unter anderem eroberte er Bötzow und
brandschatzte außer der Stadt Strausberg 22 Bamim-Dörfer. An diesen Fehden war auch Dietrich v.
Quitzow beteiligt, der zeitweise im Bündnis mit Berlin, später wieder als dessen Gegner, zu einer Kette ihm
gehörender Burgen auch Bötzow den Pommem abgewann.
Auf den Bestand der Kunstdcnkmäler muß sich weiterhin verhängnisvoll der wild-fanatische Plünderungszug
der Hussiten ausgewirkt haben, der im Jahre 14Z2 ebenso schnell, wie er kam, wieder zurückebbte. Allerdings
wurde davon nur ein Teil des Kreisgebietes berührt, auch Bernau konnte die Zerstörung von sich abwenden.
Gerade in Bernau liegen für die Kunstübung des 15. Jh. eine Reihe von Belegen vor. Für die erste Jahr-
hunderthälfte bleibt der Dcnkmälerbestand noch dünn; hervorzuheben ist hier eigentlich nur das schöne stei-
290 nerne Ölbergrelief in der Marienkirche, das bisher kunstgeschichtlich noch nicht seinem Rang entsprechend ge-
würdigt wurde. Es ist ein gutes Beispiel für die neue Art, die alten heiligen Geschichten zu verlebendigen und
191—196 mit liebevoller Wirklichkeitsbeobachtung zu bereichern. Für die Goldschmiedekunst ist der reichgravierte Kelch
628—6zo vom Jahre 1452 in Alt Landsberg bezeichnend. Teile des Altars in Schwanebeck zeigen die ländliche Schnitz-
weise dieser Zeit. Am Sakramentshaus in Bernau, das nach dem Stil seiner Malereien um 1440 errichtet
zio wurde, fallen besonders die schönen schmiedeeisernen Schmuckbeschläge auf.
Für die Bauten scheint erst nach der Jahrhundertmitte und im frühen 16. Jh. eine entscheidende Neubelebung
eingesetzt zu haben. Die in den Hussitenwirren zerstörten und vielfach sicher nur notdürftig wiederhergesteüten
Kirchen wurden nun dem neuen Raumgefühl entsprechend umgestaltet und erhielten dabei ihre noch heute
bestehenden Gewölbe, die jedoch zum Teil erst im 16.JH. fertig geworden sind.—DerHallenbau derMarien-
224—26z kirche von Bernau gehört mit seinen fünf Schiffen und seinem Hallenchor zu den großartigsten Zeugnissen
des märkischen Bauwillens. Schon von weither beherrscht sein mächtiges Dach, dessen Stühle auch noch die
mittelalterlichen sind, das Stadtbild. Beim Näherkommen enthüllt sich an den feinen Ziergiebeln und den
vielfältigen Profilen eine Menge von Einzelformen. Die kunstgeschichtliche Hauptbedeutung kommt jedoch
dem Jnnenraum zu, der gerade infolge seiner uneinheitlichen Entstehung — Teile davon reichen bis ins iz.
und 14. Jh. zurück—dem spätgotischen Raumwollen mit seinen vielfältigen Durchblicken in hervorragendstem
Maße gerecht wird. Vier bzw. fünf verschiedene Arten von Pfeilern und Gewölben bezeichnen in ihrer Ab-
wandlung den ganzen Formenreichtum, der damals zur Verfügung stand. In diesem prachtvollen Kirchbau
hat sich die reiche Bürgerschaft das Hauptdenkmal ihres Kulturwillens gesetzt. Wie ihr auch in diesen Jahren
neu errichtetes Rathaus ausgesehen hat, wissen wir leider nicht mehr. Nur ein kleiner Gewölberest im Kcller-
219—22Z geschoß hat sich letzthin gefunden. Von den Stadttoren ist nur noch das schöne Königstor erhalten, das von
181,182 den gleichen Werkleuten wie die Marienkirche errichtet sein mag. Die schlichteren Toranlagcn von Alt Landö-
berg sind nur noch durch zwei Türme vertreten. Die dortige Stadtkirche wich damals keinem völligen Neubau,
 
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