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Kerschensteiner, Georg
Die Entwickelung der zeichnerischen Begabung: neue Ergebnisse auf Grund neuer Untersuchungen — München, 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.27816#0510
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Die Entwickelung der zeichnerischen Begabung.

Lehrziel des
Zeichenunter-
richts an acht-
klassigen
Volksschulen.

Vorschriften für
die Durchführung
in denU nt er - und
Mittelklassen.

Dagegen möge es gestattet sein, im nachfolgenden jene Vor-
schriften bekannt zu geben, welche ich im Herbste 1904 für die
Neugestaltung des Zeichenunterrichtes unter tunlichster Berück-
sichtigung der in den vorausgehenden Betrachtungen als richtig
erkannten Forderungen einerseits und der gegebenen Schulverhältnisse
anderseits für unsere achtklassigen Werktagsschulen und die sich
anschliessenden 3—4 klassigen obligatorischen Fortbildungsschulen auf-
gestellt habe. Die Begründungen dieser teils neuen teils wohlbekannten
Vorschriften sind in den vorausgehenden Betrachtungen gegeben.

Der Zeichenunterricht an den Volksschulen hat die Gesichts-
vorstellungen auszubilden und das Vermögen, sie graphisch
auszudrücken, in den Anfängen zu entwickeln. Dabei dient
er zugleich mit dem Sach- und Werkunterricht der Förderung der
Beobachtungsgabe und des ästhetischen Gefühles. Dieses Ziel ist
tunlichst im Zusammenhang mit dem gesamten Sachunterricht zu
verfolgen; das Zeichnen wird deshalb in den Unterklassen mit dem
Anschauungsunterricht, in den Mittelklassen mit dem heimatkundlichen,
in den Oberklassen mit dem gesamten weltkundlichen und Hand-
fertigkeits- bezw. Handarbeitsunterricht verbunden. Entsprechend der
verschiedenen Begabung beider Geschlechter ist in den Mädchen-
klassen das dekorative Pinselzeichnen mehr zu betonen als in
den Knabenklassen.

In den vier Unter- und Mittelklassen beschränkt sich der
Unterricht auf Gedächtniszeichnen; in den vier Oberklassen verbindet
er Gedächtniszeichnen mit Zeichnen nach dem wirklichen Gegenstand,
das allmählich zur Hauptaufgabe wird und in der achten Klasse
neben der Darstellung in freier Perspektive auch die Aufnahme in
Grund-, Auf- und Seitenriss umfasst.

In der 1. bis 5. Klasse ist der Unterricht Massenunterricht; von
da ab wird er nach Bedürfnis Gruppen- oder Einzelunterricht.

Ganz hervorragend Begabten ist im Benehmen mit der Schul-
behörde der Besuch der Zentralzeichenschule zu empfehlen.

In Unter- und Mittelklassen sind zur Darstellung im allgemeinen
nur Gegenstände zu wählen, welche im Anschauungs- oder heimat-
kundlichen Unterricht eine allseitige Betrachtung und Besprechung
erfuhren. Doch sind zeichnerisch begabte Kinder, sofern sie die
gestellte Aufgabe im Unterricht erledigt haben, auch zur Darstellung
anderer Dinge ihres Anschauungskreises aus dem Gedächtnis
aufzumuntern.'

Bei der Betrachtung und Besprechung des Gegenstandes, welche
der zeichnerischen Wiedergabe vorausgeht, muss nicht bloss auf
 
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