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Kerschensteiner, Georg
Die Entwickelung der zeichnerischen Begabung: neue Ergebnisse auf Grund neuer Untersuchungen — München, 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.27816#0525
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§ H. Pädagogische Schlussbetrachtungen allgemeiner Art.

50)'

Unterricht, mit dem ersten Sprachunterricht verfahren. Die Methode
in allen Ehren, aber wir stehen heute zweifellos vor der Gefahr, vor
lauter Methode die besten Kräfte unserer Kinder, die produktiven
Kräfte, methodisch zugrunde zu richten. Im Grunde gibt es eigentlich
nur eine Methode, an welcher die geistige Kraft des Menschen sich
entwickelt, die Methode der persönlichen Erfahrung, die Methode der
Forschung. Weil aber unsere Schulen im allgemeinen gar nicht den
Weg der persönlichen Erfahrung einschlagen und vielfach auch nicht
einschlagen können, so hat man Ersatzmethoden für alle möglichen
Unterrichtsdisziplinen erfunden, welche helfen sollen, das Erfahrungs-
wissen anderer in möglichst kurzer Zeit den kommenden Generationen
ohne die tausend Mühen und Irrwege der Vorfahren beizubringen.
Was wir heute Methode nennen, ist im wesentlichen nichts anderes
als die Art und Weise, wie wir das im Eaufe unserer Kultur ange-
sammelte Wissen unter weitgehender Ausschaltung empirischen
Wissenserwerbes und der persönlichen Arbeit an dritte übertragen
können. Der Lehrer geht voraus, der Schüler folgt, der Lehrer
experimentiert, der Schüler sieht zu, der Lehrer sucht den Weg, der
Schüler wandelt ihn nach seiner Anweisung. Auf diese Weise
sorgen wir aber nicht oder doch viel zu wenig, dass die produk-
tiven Kräfte im Kinde sich entwickeln,' dass die Zähne zum
Erfassen und Zerkleinern der geistigen Nahrung sich schärfen,
dass der einzelne seinen Weg gehen lerne, der ihm durch seine
individuelle Begabung vorgeschrieben ist. Gewiss ist, dass die
Schule hier nicht alle Wünsche befriedigen kann, denn der Begriff
„Schule“ bedeutet eben Massenunterricht. Gewiss ist auch, dass
die Schule unter manchen tüchtigen Lehrern auch in manchen
Unterrichtsgegenständen den produktiven Kräften der Schule Rück-
sicht trägt, aber ebenso gewiss ist, dass wir ohne sonderliche Kosten
einige recht einschneidende Änderungen in unserem Schulbetrieb vor-
nehmen könnten, um weit mehr als bisher den eingeborenen Schaffens-
trieb der Jugend sich entfalten zu lassen. Eine vernünftige Eingliederung
und Ausgestaltung des Zeichenunterrichtes ist nur eines der Mittel.
Die Einführung von Laboratorien für Physik und Chemie, von Schul-
gärten, Aquarien und Terrarien für Zoologie und Botanik in Volks-
und Mittelschulen, von Werkstätten für Holz- und Metallbearbeitung
an Volks- und Fortbildungsschulen, die Verbindung von Schulküchen
und Kindergärten mit höheren Mädchenschulen, wobei der Schüler
überall den Weg des Beobachtern, Entdeckern gehen soll, sind andre
solche Mittel. Wenn die Benützung solcher Mittel einst allgemein
durchgeführt sein wird, dann werden unsere Schüler vielleicht weniger
 
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