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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 21.1871

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August v. Boit: Gründer des Münchener Kunstgewerbevereins
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Chronik des Vereins
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Beschreibung der Kunstbeilagen
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https://doi.org/10.11588/diglit.9046#0023
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Blick machte es möglich, daß alle diese Bauarbeiten in so kurzer
Zeit und mit so geringen Mitteln ausgeführt werden konnten. Da
bei diesem Anlaß auch die Gefängnisse einer Umgestaltung unter-
worfen wurden, wußte Voit auch im Bau und in der Einrichtung
derselben manche Verbesserungen einznführen. In Anerkennung
dieser Wirksamkeit wurde ihm 1864 der Ban des Centralgefäng-
nisses in Nürnberg (nach dem System der Zellenhaft) übertragen,
nachdem er zuvor für diesen Zweck die ähnlichen Anstalten in
Frankreich, Belgien und England besehen hatte.

1862—1863 wurde das Anatomiegebäude in Erlangen nach
Voits Plänen ausgeführt.

Bei verschiedenen Anlässen, namentlich als 1858 eine neue
Bauorganisation in Bayern eingeführt werden sollte, kämpfte Voit
stets für die Ansicht, das Staatsbauwesen nach den technischen
Fächern der Architektur und der Jngenieurwissenschaften zu trennen.

In die Jahre 1865—1867 fällt der Neubau des chemischen
Laboratoriums in Würzburg, und zu gleicher Zeit des Stadt-
gerichts München, Abtheilung für Strafsachen.

1864 bis in die neueste Zeit wurde nach Voits Plänen die
katholische Kirche zu Weißenhorn ausgeführt, ein Bauwerk, welchem
er stets seine besondere Vorliebe schenkte, da es ihm vergönnt war,
dabei seine Ideen in vollster Harmonie bis ins kleinste Detail
durchführen zu können.

1868 wurde er als Mitglied der Commission für Erhaltung
der Kunstdenkmale und Alterthümer in Bayern ernannt.

1867 bis 1869 wurde das Justizgebäude in Zweibrücken nach
seinen Plänen ausgeführt, ein Umbau des einstigen Schlosses der
Herzoge von Zweibrücken.

1867 bis in die neueste Zeit brachte er seine reichen Erfahr-
ungen im Gefängnißwesen noch bei dem Neubau des Bezirks -
gefängnisses in München, dessen Ausführung ihm übertragen war,
zur Anwendung.

Große Freude und Erleichterung in seinen Geschäften gewährte
ihm die Beihilfe seines Sohnes des Architekten und Assistenten bei
der obersten Baubehörde seit dem Jahre 1860. Nicht minder
fühlte er sich glücklich, als noch im letzten Jahre die Familien
seiner 3 ältesten Söhne, des Physiologen und Universitätsprofes-
sors, des vorgenannten Bauassistentcn und des Physikers und
Professors sich um ihn versammelt hatten; es war ein in seltner
Weise schönes und anregendes Familienleben.

1870 wurde er zum Vorstand des Münchner Architekten- und
Jngenieurvereins gewählt, und trotz seines hohen Alters und seiner '
sonstigen angestrengten Thätigkeit ergriff er auch noch diese Aufgabe
mit gewohntem Eifer, einer Gründlichkeit und Aufopferungsfähig- I
keit, wie sie jüngern Kräften Ehre gemacht haben würde.

Einer politischen Thätigkeit stand er ferne, dennoch war er
mit Begeisterung der deutschen nationalen Sache zugethan und
folgte mit regem Sinn den großen Ereignissen der neuesten Zeit.

Gegen Ende November v. Js. zog er sich eine heftige Ber-
kältung zu, welche eine bisher schlummernde Herzkrankheit zum
Ausbruch brachte, und nach nur 14tägigem Kranksein sein thätiges
und in jeder Hinsicht abgerundetes Künstlerleben beschloß. Er war |
eine Künstlernatur im besten und schönsten Sinne des Wortes.

Chronik des Vereins.

Zu den wichtigsten Vorkommnissen in unserem Vereinsleben
gehört die Eröffnung einer Kunstgewerbehalle in der Maximilians-
straße Nr. 42, nachdem für die Benützung einiger Säle des Nativnal-
museums für die Ausstellungen des Vereins die Bewilligung zurück-
gezogen worden war. Der bisherige Erfolg der neuen Kunst-
gewerbehalle ist ein in mehrfacher Beziehung erfreulicher zu nennen.
Einmal haben Künstler und ausführende Meister miteinander ge-
wetteifert, wahrhaft probehaltige Erzeugnisse des Kunsthandwerks
für die Ausstellung zu liefern; sodann ist auch im Publikum ein

wachsender Sinn für solche Merke wahrzunehmen, an deren Hervor-
bringung Kunst und Handwerk sich vereint betheiligt haben. In
Folge dieser Ausstellung hat sich auch die Anzahl der Beitritte
zum Verein namhaft vergrößert.

Von den ausgestellten Arbeiten mögen vorläufig nur einige
wenige hervorgehoben werden, wie ein von A. Seder entworfenes
und von Wächter ausgeführtes Meublement, an welchem das plastische
und malerische Element, welches letztere vornemlich in den Füllungen
repräsentirt ist, harmonisch zusammenwirken; unter den Schreiner-
arbeiten gehört auch ein Buffet von Heigl zu den hervorragenden
Leistungen. Ein Collier, ein Kreuz und Ohrringe von Leigh sind
gut erfundene und vortrefflich ausgeführte Arbeiten, welche sich auch
durch ihre Billigkeit auszeichnen, so daß die Nachfrage nach solchen
Erzeugnissen eine große war. Die vielbegehrten Elfenbeinschnitzereien
von Perron zeichnen sich durch Zierlichkeit und Lebendigkeit der
Formengebung aus. Eine reiche Auswahl seiner anerkannt guten
Arbeiten lieferte der Portefeuillefabrikant Eschenbach. Die Por-
zellanmalereianstalt von Thallmaier stellte auch eine größere Reihe
ihrer Erzeugnisse aus, welche das rege Weiterstreben dieser Anstalt
bekunden. Erfreulich ist es auch, daß die aufblühende Parten-
kirchner Schnitzschule wie die hiesige Kunstschule für Mädchen sich an
der Ausstellung betheiligt haben. Noch mögen die vortrefflichen
Nachbildungen älterer Thonarbeiten von Selzer und Fleischmann
erwähnt werden.

Die Ausstellung macht wieder einmal den Wunsch lebhaft
rege, daß endlich ein Theil des hiesigen Capitals dem Kunst-
handwerk zu Hülfe kommen möge, wie das in Berlin, Wien,
Stuttgart und in viel kleineren Städten wie in Pforzheim, Offen-
bach rc. der Fall ist, und wahrlich nicht zu seinem Schaden.

Folgende Herren hatten die Güte, im verflossenen Winter für
die Mitglieder des Vereins Vorträge zu halten:

I. Vortrag Dienstag den 27. Dezember 1870 Herr Professor
1)r. Fr. v. Kobell: Heber das Silber.

II. Vortrag Dienstag den 10. Jänner 1871 Herr Professor E.
Lange: lieber Motive der Deckendekorativn.

III. Vortrag Dienstag den 24. Jänner der k. Oberrechnungsrath
Herr Dr. Fentsch: Cnlturbilder aus dem Münchner
Handwerkerleben.

IV. Vortrag Dienstag den 7. Februar Herr Professor Dr. Riehl:
Wie soll der Künstler Kunstgeschichte studiren?

V. Vortrag Dienstag den 21. Februar Herr Dr. Ernst Förster:
Aus der italienischen Kunstgeschichte.

VI. Vortrag Dienstag den 7. März Herr Professor und Con-
servator Dr. Meßmer: Ueber den Zusammenhang der
bildenden Künste mit der Architektur.

VII. Vortrag Dienstag den 21. März Herr Dr. Lichtenstein:
lieber die Bedeutung der Symmetrie für das
K u n st h a n d w e r k.

Beschreibung der Kunstbeilagen.

Heft 5 Blatt 1. Verzierungen auf Krügen von Steinzeug, entworfen
von Leonhard Faustner.

Blatt 2. Schlosserarbeiten von Leonhard Faustner.

Heft 6 Blatt 1. Töpferarbeiten von F. Widnman.

Blatt 2. Fenstervorhang von A. Mecklenburg.

Auf rothem Grunde liegen hellgelbe Sterne. Die Bordüren,
oben wie unten, sind von braunen Linien mit gelben Punkten
eingefaßt; ihr Grund ist weiß mit schwarzen Linien. Das
Weinblattornament, (grüne Blätter, violette Trauben und
dunkelgelbe Stengel) ruht auf hellgelbem Grunde. Die Um-
schließung des Medaillons ist in gleicher Weise gehalten. Der
innere Grund des Medaillons ist hellgelb mit grünem Ornament.
— Der Vorhang ist für das Weingastlokal des Herrn Edmund
Neuner, Herzogspitalgasse in München, ausgeführt worden.

Redigirt unter Verantwortlichkeit des Redaktionsausschusses von Dr. Lichtenstein.

Kgl. Hofbuchdruckerei von Dr. C. Wolf & Sohn.
 
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