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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 21.1871

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Schmädel, Josef von: Bericht über die schwäbische Industrie-Ausstellung in Ulm, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9046#0028
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Zeitschrift

des

Knnst - G e w erbe-Verei n s.

Einmldzwaiizigftir Jahrgang.

München. fei 9 *• 1871.

Die Zeitschrift erscheint monatlich mit wenigstens zwei Seiten Text und zwei Kunstbeilagen. Die Vereinsmitglieder erhalten die Zeitschrift unentgeltlich. Im Buch-
handel kostet dieselbe 4 fl. s. W. — 2 Thlr. 12 Sgr. der Jahrgang. Inserate geeigneten Inhaltes werden mit 6 kr — 2 Sgr. für den Raum einer gespaltenen
Petitzeile berechnet. S t ä n d ig e Inserate erhalten eine entsprechende Preisermäßigung. In- und Auswärtige wollen sich dieserhalb an die Buchhandlung von

Theodor Ackermann dahier wenden.

Bericht über die schwäbische Industrie-Ausstellung

in Ulm

von Ios. R. von Schmädek.

Es ist ein erfreuliches Zeichen, daß heut zu Tage, wenn von
Industrie gesprochen wird, als selbstverständlich die Kunstindustrie
miteinbegriffen ist. Ein deutliches Beispiel hiefür liefert uns die
in Ulm veranstaltete „Schwäbische Industrie - Ansstellung",
die so viel des Interessanten und Gediegenen nach dieser Richtung
hin enthält, daß es wohl gerechtfertigt ist, ein mit so vielen Hin-
dernissen ins Werk gesetztes Unternehmen näher zu betrachten. —

Es würde zu weit gehen und auch nicht im Interesse der Leser
dieser Zeitschrift liegen, alle zur Ausstellung gelangten Produkte
ohne Ausnahme in den Bereich dieses Berichtes zu ziehen, weß-
halb ich speziell nur kunstindustriell Wichtiges berühren werde.

Im Allgemeinen jedoch fühle ich mich gedrungen, die vollste An-
erkennung der Gesammtleistungen auf allen der Ausstellung zu
Grunde gelegten Gebieten schon von vorneherein anszusprechen. —
Bekanntlich sollte diese Ausstellung schon im Jahre 1870 zur !
Ausführung kommen und es waren bereits über die Hälfte der Aus-
stellungsgegenstände eingeschickt, als, wie so vieles Andere, auch
dieses Unternehmen eine jähe Unterbrechung erlitt, um vor einer
anderen großartigeren Unternehmung, bei der alle Kräfte der
ganzen Nation angespannt wurden, und bei der statt der Werk-
zeuge des Friedens das deutsche Schwert die Arbeit übernahm,
zurückzutreten. Doch kaum erklang der Jubelruf durch's ganze
deutsche Land, daß dieses Werk' gelungen sei, so meisterhaft, so
staunenswerth, daß unsere Hoffnungen weit übertroffen waren,
da ging es wieder rasch an die Arbeiten des Friedens, und wer
gestern noch das Schwert geführt, ward Tags darauf voll emsigen
Fleißes in seines Faches Werkstatt zu finden. Ein herrliches
Zeichen urwüchsiger Kraft und hoher Civilisation!

Auch die Männer, welche die Anregung zur schwäbischen
Industrie-Ausstellung gegeben und deren Leitung in die Hand ge-
nommen hatten, vergaßen die schweren Tage der Sorge und aufs
Neue wurden die Arbeiten begonnen, so daß am 16. Juli die
Ausstellung in gelungenster Weise dem allgemeinen Besuche ge-
öffnet werden konnte. Das Comito hat seine Aufgabe auf das
Glänzendste gelöst. Das Arrangement muß bei den vorhandenen
Schwierigkeiten bezüglich der Situation und der gegebenen Räum-
lichkeiten geradezu ein Meisterwerk genannt werden. Klare über-
sichtliche Aufstellung, geschmackvolle Gruppirung, ein mustergiltiger
und außerordentlich genauer Katalog sowie alle möglichen Bequem-
lichkeiten bezüglich der Restauration re. rc. helfen die Anstreng-
ungen, welche gewöhnlich mit dem Besuche einer solchen Ausstel-
lung verknüpft sind, beinahe vollständig beseitigen. Es werden
die Namen der Herren, welche sich so große Verdienste erworben
haben, ani Ende dieses Berichtes beigefügt werden, was umsomehr

gerechtfertigt erscheint, als das Ganze eine Privatunternehmung ist
und daher die größte Anerkennung verdient.

Von der württembergischen Regierung wurde das Unternehmen
förderlichst unterstützt und auch in pekuniärer Beziehung wurden
namhafte Zuschüsse gemacht, was auf's Neue die nachahmungswerthe
Rührigkeit und die klare Erkenntniß der Wichtigkeit der Industrie von
Seite der genannten Regierung in das günstigste Licht stellt und
beweist, daß dieselbe zu beneiden ist, einen Mann zu besitzen, der
so außerordentliches Verständniß und so unermüdliche Thatkraft
wie Herr von Steinbeis, welcher die Seele der württembergischen
industriellen Bestrebungen genannt werden muß, besitzt. Wo Staat
und Bürgerthum in wohlverstandenem Interesse und bei gegen-
seitigem Entgegenkommen Zusammenwirken und schaffen, da wird der
günstige Erfolg nicht mangeln, und beide Theile werden eine gegen-
seitige Stütze finden; der eine durch den Aufschwung und die Vervoll-
kommnung seiner Produktionskraft, sowie durch deren gesteigerte
Verwerthung durch die hiebei eröffneten Absatzgebiete, der andere
durch den vermehrten Nationalreichthum und durch die Befestigung des
Bürgerthums, dem wichtigsten Faktor des modernen Staates gegen-
über den durch ihre umstürzenden Bestrebungen die vernunftgemäße
nothwendige Freiheit unterdrückenden Feinden aller Ordnung.

Den freundlichen Leser bittend, mir zu folgen, will ich nun
meine Wanderung durch die verschiedenen Abtheilungen der Aus-
stellung beginnen und überall da, wo unser speciell kunstindustrielles
Interesse geweckt wird, je nach der Wichtigkeit des Produktes länger
oder kürzer betrachtend verweilen.

Der Ausstellungsraum besteht aus mehreren größeren und
kleineren Gebäulichkeiten, die durch die Sammlungsgasse von ein-
ander getrennt durch einen Uebergang im ersten Stocke aber in
unmittelbarer Aufeinanderfolge der verschiedenen Abtheilungen sehr
zweckmäßig verbunden sind. Es bietet der Raum somit keine Ge-
legenheit zu großartiger Massenentfaltung, hat aber den Vortheil
mannigfaltiger Abwechselung und eines für den Besucher wohlthuen-
den, ich möchte sagen wohnlichen Charakters.

Es ist selbstverständlich, daß bei diesen Verhältnissen auch von
einer imposanten äußeren Repräsentation nicht die Rede sein kann,
doch gibt das reiche, ganz in Sandstein ausgeführte gothische Portal
dem Eingang in die Ausstellung einen würdigen monumentalen
Charakter. Dasselbe ist Ausstellungsobjekt der Ulmer Münster-
bauhütte und zeigt von der zu Grunde liegenden tüchtigen Schule.
Ueber dem Eingänge befindet sich ein Gemälde von Fraidel, die
Industrie darstellend, wie sie dem Künstler und Gewerbsmann
Hand in Hand zum gemeinsamen Schaffen fügt. Nach gelöster Karte
betreten wir den Raum der ersten Abtheilung für Metallwaaren.
Gleich rechts finden wir die Produkte des k. Hüttenwerkes Wasser-
alfingen, das an kunstgewerblichen Gegenständen Balkongeländcr-
muster, ein Thor in maurischem Style, Grabkrcuze, Springbrunnen,
Salonöfen und Gartentische vorführt. Sämmtliche Gegenstände sind
schön in der Zeichnung und scharf im Gusse. Die. Anstalt besitzt
 
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