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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 21.1871

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Schmädel, Josef von: Bericht über die schwäbische Industrie-Ausstellung in Ulm, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9046#0030
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künstlerische Ausführung aufzuweisen haben, und zwar einen Flü-
gel mit 7 Oktaven in reicher Schnitzarbeit und ein Harmonium
mit 5 Oktaven, 2 t Registerzügen und 2 Manualen. Letzteres ist
hübsch gebaut und verdient dessen plastische Ausführung Anerkenn-
ung. Außerdem bringen hübsche Instrumente Pfeiffer, Kraus,
Rietheimer, Strobel & Comp., Trayser & Comp. re., von denen
jedoch keines hervorragenden kunstindustriellen Werth besitzt.

Mehr Befriedigung finden wir bei den ausgestellten Möbeln.
Der in unserem Vereine durch sein früheres Wirken rühmlichst be-
kannte, gegenwärtig in Stuttgart befindliche Architekt A. Meklen-
burg zeigt an Stühlen, Spiegeln, Bilderrahmen und Commoden,
wie durch einfache Mittel reiche dekorative Wirkung erzielt und
poetische Ideen an den gewöhnlichsten Gegenständen zum Ausdruck
gebracht werden können. Ich halte es für eine Hauptaufgabe des
Künstlers, nicht bloß leere Formen zu erfinden, sondern hauptsäch-
lich Motive, die Geist und Herz beschäftigen können, in künstleri-
scher Form selbst den einfachsten Gegenständen zu Grunde zu legen,
denn gerade dadurch ist der hervorragende Werth eines kunst-
industriellen Produktes bedingt und von immerwährender Dauer.

Mit Vergnügen betrachtet man z. B. den vom Zeichenlehrer
I. B. Kolb aus Ehiugcn a./D. ausgestellten Ofenschirm, der auf
Seide gemalt, von reizender Zeichnung, stimmungsvoller Farbe
und geistreicher Composition ist. Er gibt diesem an und für sich
einfachen Gegenstände künstlerisches Interesse, indem er seine For-
men einem poetischen Grundgedanken entwachsen läßt. Ein liebend
Paar befindet sich in Mitte der Composition, das im heimlichen,
lauschigen Winkel der Ofenbank glückliche Stunden verlebt. Die
Einrahmung des Medaillons enthält erläuternd folgendes Gedichtchen:

„Im Sommer such' ein Liebchen Dir
Im Garten und Gefild,

Da sind die Tage lang genug,

Da sind die Nächte mild.

Im Winter muß der zarte Bund
Schon fest geschlossen sein,

Sonst mußt Du lange steh'n im Schnee,

Bei kaltem Mondenschein."

Aus diesem poetischen Kern entwickelt sich nun das Ganze zu
einem herrlichen Produkt kunstindustriellen Schaffens, das geradezu
als mustergültig angesehen werden muß.

Einfach, aber hübsch in der Form ist ein Büffet von Schrei-
nermeister Krais aus Biberach. Reicher, aber etwas barock ge-
halten ist das Büffet von Schreinermeister I. G. Maier in Ulm.
Eine brillante Garnitur in rothem Damast bringt das Tapezierer-
und Möbelgeschäft von Feiner & Loth aus Ulm. Erhard Fischer
aus Wangen im Algäu stellt Chiffonier, Sekretär und Buffetschrank
in polirtem Nußbaummaser aus, die hauptsächlich ihres herrlichen
Holzes halber Beachtung verdienen, in der Form aber ebenfalls
etwas barock und im Charakter unbestimmt gehalten sind. Alle
genannten Möbel sind in Politur hergestellt, obwohl die meisten
davon, wenn sie glatt und matt gehalten wären, entschieden größe-
ren Effekt erreichen würden. Politur ist besonders bei Möbeln,
welche geschnitzte Theile enthalten, immer vom Uebel, da das
Schnitzwerk selbst nicht ordentlich polirt werden kann, während durch
den unangenehmen Lackglanz, mit dem der Politur gewöhnlich
nachgeholfen wird, Zeichnung und Sauberkeit der Arbeit bedeutend
zu leiden hat. Einfach mit Wachs eingelassene derartige Arbeiten
machen stets einen gewissen gediegenen Eindruck, und sehr vortheil-
haft sticht z. B. der in der Form charaktervolle Renaissancetisch
des Hrn. Mart. Hipp, Schreinermeisters in Osterdingen, von beit
in Rede stehenden Möbeln ab. — Die Politur ist eine französische
Errungenschaft, an der nicht viel verloren ginge, wenn sie gänzlich
ad acta gelegt würde.

Einen erfreulichen Eindruck macht die originelle und ächt
kunstindustrielle Verwendung von geätzten Solenhofer Steinen,
welche Herr Zeichenlehrer C. Ramminger aus Eßlingen in Form
von Briefbeschwerern, Firmaplättchen und Tischplatten zur Aus-

stellung bringt. Die flach gehaltene Ornamentik auf herausgeätztem
Grunde ist schwungvoll in der Composition, und die Zeichnung bei
den meisten durch verständnißvolle Anwendung von Farbe, welche
in den geätzten Grund eingelassen ist, auf das wirksamste gehoben
und zur Geltung gebracht. Ich glaube, daß derartige Artikel bei
der gegebenen Solidität und Billigkeit der Ausführung große Ver-
werthung finden werden.

Bon Vergoldungsarbeiten sind in dieser Abtheilung ein großer
Spiegelrahmen von C. Vetter aus Stuttgart und Tisch und Stühle
von Vergolder Röhrle aus Ulm zu nennen. Letztere sind im
Genre Louis XIV. und nach vorhandenem älteren Originale ge-
fertigt. —•

Wir verlassen diese Abtheilung und betreten den Raum für
weibliche Handarbeiten. —

Ich bin kein Verehrer von der Theorie der Frauen-Emanci-
pation, aber der Meinung bin ich, daß gerade das kunstindustrielle
Gebiet ein Feld zur Entwicklung der Selbstständigkeit für das
weibliche Geschlecht bietet und bei richtiger Cultivirung gewiß
segensreiche Früchte tragen wird. Von der Richtigkeit dieser Be-
hauptung gibt die Ausstellung der Frauenarbeitsschule in Reut-
lingen den schlagendsten Beweis. Wir erblicken hier eine Reihe
von Entwürfen für weibliche Arbeiten und sehen daneben deren
Ausführung, so daß wir sowohl die technische Behandlung des
Zeichenmateriales und der Farbe, die im Hinblick auf die praktische Aus-
führung verständnißvolle Composition, sowie die thatsächliche Wirkung
des Gegenstandes in seiner Vollendung bewundernd verfolgen
können. Sämmtliche Arbeiten wurden von Schülerinen, die in
einem Alter von 16—22 Jahren stehen und meist unbemittelt sind,
hergestellt. Ihre Leistungen setzen sie in den Stand, sich eine
selbstständige sorgenfreie und ehrenvolle Existenz zu gründen, was
wohl die beste Empfehlung für diese ausgezeichnete Schule sein
dürfte. An genannte Schule reiht sich noch als erwähnenswerth
die städtische Töchterschule in Ulm, welche in anschaulicher Weise und
hübschen Mustern den Stufengang der weiblichen Handarbeit nach
Buhl'scher Methode vor Augen führt.

Beide Schulen, von denen jedoch der ersteren unbedingt der
Vortang gebührt, gaben in erfreulicher Weise die Richtschnur an,
nach welcher die Frauenarbeit allmählig in ein künstlerisches Geleise
gebracht werden kann, was für die gesammte Kunstindustrie gewiß
bedeutungsvoll wäre, da hiedurch der Geschmacklosigkeit der Mode,
welche die größte Feindin der Entwicklung des Kunstgewerbes ist,
in wirksamster und allein ausgiebiger Weise die Spitze geboten
würde.

Die übrigen Leistungen sind Reproduktionen von Mustern
unserer bekannten Modejournale, die wohl einer Besprechung nicht
bedürfen. Da ich außerdem bereits die Neugierde der zahl-
reich anwesenden Damenwelt durch meine detaillirte Jnspizirung
der Reutlinger Schule erregt habe und der Gefahr ausgesetzt bin,
bei der zwar schmeichelhaften aber gefährlichen Begleitung, welche
mir von Seite des schönen Geschlechtes bei meiner Wanderung
von einem Gegenstände zum andern zu Theil wird, allenfalls für
einen mit Familie reisenden türkischen Berichterstatter angesehen
zu werden, so bitte ich den freundlichen Leser, mit mir den eben
erhaschten Moment freier Abzugsmöglichkeit zu benützen und in
die nächste Abtheilung von Möbeln, Fässern, Kassaschränken rc. zu
fliehen. Um nun den durch unsere Flucht gewiß schon theilweise
beseitigten Verdacht noch gänzlich zu heben, will ich mit den Wein-
und Bierfässern beginnen, obwohl diese eigentlich keine kunstindu-
striellen Gegenstände genannt werden dürften. Doch auch hier
macht sich der Einfluß der Kunstindustrie geltend; denn Hiller aus
Ulm hat eines seiner großen Fässer mit hübschem Schnitzwerk ver-
sehen und selbst durch Poesie zur Veredlung seines Produktes bei-
getragen. Man wird dem Manne recht geben müssen, wenn er
mit scharfem Instrumente den Spruch ins Holz des Fasses
schneidet:
 
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