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Türen Epochen
zugeordnet

Vorbemerkung: Die Vielzahl der Objekte und Erscheinungen verlangt
eine Gliederung, verlangt auch die Zusammenfassung gleicher und ähnli-
cher Gestaltungen. Wir ordnen nach dem historischen Prinzip und
fassen nach Stilepochen zusammen.10 Diese Stilrubrizierung ist ein
bewährtes System, historischem Material Herr zu werden. In dieser
Struktur wird erfahren, was an Beständen aus welcher Zeit erhalten ist
und was ihre signifikanten Merkmale sind. So wird der historische
Standort eines Werkes präzisiert und seine Gestalt dazu in Beziehung
gebracht. Darauf ließe sich die Sentenz anwenden: Wer mehr weiß, sieht
mehr. Übrigens ein umkehrbarer Satz, der gewendet auch hier seine
Gültigkeit und Berechtigung hat.

Das System der Stilepochengliederung hat seine Gegner." Sie sagen und
argumentieren, die Einheit einer Epoche sei eine Wunschkonstruktion,
eine romantische Fiktion nach dem Willen und Geschmack des 19.
Jahrhunderts, eine simplification terrible. In Wahrheit entdecke man bei
unvoreingenommener, genauer Stilanalyse bei zeitgleichen Meistern Stil-
divergenzen, einen Stilpluralismus. Zum Beweis werden große Namen,
hohe Werke und ihre Verschiedenartigkeit zu Zeugen gerufen: Rubens
und Poussin, Dürer und Grünewald, die Architektur von Chartres und
ihre Portalplastik usf. Der Bereich des Kunsthandwerkes, wozu unsere
Türen zählen, hat bei solchen Überlegungen und Nachweisen m. W.
noch keine große Rolle gespielt. Offensichtlich eignet ihm geringere
Beweiskraft. Verständlicherweise. Das Material der Kunsthandwerker,
ihre Werkzeuge und Verfahren lassen keine Alleingänge und subjektiven
Gesten zu wie etwa die Malerei. Und bei dieser sind es nicht die
Durchschnittsmaler, sondern die Großen, die kraft ihres Ingeniums vom
Pfad der „Stilmitte" abweichen. Die Handwerker und Kunsthandwerker
einer kleinen Reichsstadt waren solcher Alleingänge kaum fähig. Sie
schwimmen im Strom mit, lassen sich bei der Übernahme neuer stilisti-
scher und formaler Elemente Zeit. Dem höfischen Avantgardismus
folgen sie nicht stracks. Diese konservative Einstellung erfährt eine
nochmalige Verzögerung dort, wo die bürgerliche Anschauung von
einer bäuerlichen übernommen wird. Weiß man und kalkuliert man das
alles, lassen sich Einzelwerke oft unschwer orten und in Zusammenhang
bringen mit Gleichzeitigem, Gleichartigem und Vergleichbarem.
Natürlich gibt es auch in Gmünd das stilistisch Ungewöhnliche, das
Irreguläre, wie überall, wo Menschen am Werk sind. Doch das scheint
nicht gewichtig genug, ein System aufzugeben, ohne das entwicklungs-
geschichtliche Darstellungen wie die folgende kaum denkbar und noch
weniger übersichtlich machbar sind.

5 Türklopfer

(um 1600, Stadt. Museum)
 
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