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eine Füllungstür, die vermutlich älteste genau datierbare in Schwäbisch
Gmünd. Den vertikalen Rahmen ihrer oberen Rundbogenfüllung ist
durch Profilstäbe der Anschein toskanischer Pilaster gegeben, die untere
Füllung umgreift ein kräftiger Profilstab und der Querrahmen trägt den
Türring mit Grundplatte. Aus dem Rund ihres Eisenbleches ist die
gesägte und geschnittene Figur eines doppelköpfigen Reichsadlers her-
ausgearbeitet. Eingravierte und punzierte Federstrukturen beleben die
Oberfläche. Der drehbar angesetzte Ring ist ebenfalls oberflächlich mit
linearer Ornamentik bereichert. Seine querovale Form zeigt die für jene
Zeit charakteristische Trennung der Hälften und die Stauchungen des
Ringes in diesem Bereich.

Kommen wir auf die kleine Tür zurück. Sie nimmt als funktionales
Gebilde auf den inhaltlichen Bestand, wo Monumentalformen der Spät-
antike in Holz übersetzt sind, keine Rücksicht. Wohl erst nach Fertig-
stellung und Verbindung der kleinen Schauseite wurde die Tür so aus
dem Gebilde herausgesägt, daß Randstreifen der Pilaster zur Türfläche
geschlagen wurden. Man hat demnach die Pilaster weniger als architek-
tonische Gestalt, sondern als dekoratives Material eingestuft, das einem
Zweck zu dienen hat, nämlich hier eine gerade noch begehbare Passage
zu schaffen. Die Sinnform unterwirft sich der Funktion. Man sieht, wie
bedenkenlos hier und nicht nur hier und nicht nur von Daucher damals
mit dem Arsenal der italienischen Renaissance-Architektur nördlich der
Alpen umgegangen worden ist.

Tür der Uhrenstube im Amtshaus des Heilig-Geist-Spitals, 1596

1495 wird das hohe Amtshaus des Spitals errichtet, dessen Fachwerkgie-
bel mit alemannischer Struktur sich dem Marktplatz zuwendet. Im
ausgehenden 16. Jahrhundert erhält dieser stattliche Bau nordwärts
einen gestreckten Anbau, dessen Erdgeschoß gemauert und dessen
vorkragendes Fachwerk-Obergeschoß im Stile der Zeit ausgeführt ist.
Hier erfolgt 1596 der Einbau der „Uhrenstube". Der zur Achse des
Baues quergelegte Raum (9,25x6,69 cm) nimmt dessen ganze Breite ein.
Belichtet wird er über die Fensterreihen seiner beiden Schmalseiten. Der
Raum ist völlig mit Holz ausgeschlagen, mit Riemenboden, Wandvertä-
10 feiung und Felderdecke. Die beiden gegenüberliegenden Türen an den
Langseiten hat man durch ihre aufwendige Gliederung und Dekoration
hervorgehoben.

Durch die Münstertüre von 1551 bringen wir für ihre Betrachtung
Vorwissen mit. Es findet sich bestätigt, daß die Aufnahme und Verarbei-
tung der italienischen Renaissance durch das ganze 16. Jahrhundert
hindurch anhält. Wieder hat die Türrahmung architektonisches, antiki-
9 Tür zum Kanzelaufgang sches Gepräge. Die Herausarbeitung der Einzelelemente tritt jedoch

im Münster (1551) zurück zugunsten einer Gesamtwirkung, zugunsten fein gestimmter
 
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