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26 Tür des ehem. Tores
Marktplatz 1 (1760/61-1783,
Stadt. Museum)

27 Tür Münsterplatz 2

Keller hat mit seinem Bauwesen eine ganze Generation Gmünder Hand-
werker gefördert. Zwar enthalten seine Baupläne keine Türentwürfe,
auch nicht andeutungsweise. Aber einem Barockbaumeister, der die
Schauseite seiner Häuser meist fünfachsig völlig symmetrisch entwirft
und den Eingang betonend in die Mitte stellt, wird auch im Sinne seiner
Auftraggeber die Gestaltung der Türflügel nicht gleichgültig gewesen
sein. Die Handwerker verpflichtete er jedoch nicht zu einem Schema.
Zwischen 1750 und 1780 kommt es nämlich zur Bildung mehrerer
Typen. Uber deren Werkstattbezogenheit können wir mangels fehlender
Belege nur Vermutungen anstellen. Greifbarer zeichnen sich stilistische
Entwicklungen ab. Bezügliche Datierungen, das Motiv der Rocaille und
die Gesamtgestalt der Türe werden hierbei als Leitfäden dienen.
24 Wir gehen von dem prachtvollen Portal des Hauses Imhofstraße 2 aus,
einem der schönsten Barockhäuser Gmünds. Die Türgestaltung steht
seiner architektonischen Rahmung in Gestalt von Spitzbogengewände,
Pilastern und geschweiftem Oberlicht mit Gitter samt Schnitzfigur einer
Anna Selbdritt nicht nach. Die Geschichte des Hauses, das auf dem
Areal des ehemals mauerumschlossenen Leinecker Hofes steht, hellt
hierüber einiges auf. 1763 erwarb der Gmünder Syndikus Peter Bommas
den Vorgängerbau, indem er gegen den mitbietenden Bildschnitzer
Franz Josef Bergmüller aus Türkheim in Bayerisch-Schwaben ein Vor-
kaufsrecht geltend machte. Der Käufer ließ umgehend den alten Bau
durch den jetzigen ersetzen.23 Vielleicht half man dem übergangenen
Schnitzer, der in diesem Jahr nach Gmünd gekommen und das Bürger-
recht erworben hatte, mit dem Auftrag für die Tür über die Enttäu-
schung hinweg. Diese Mutmaßung läßt sich nur schwerlich absichern,
weil Bergmüller fortan vor allem „ausländische Arbeit", so in Neres-
heim, ausgeführt haben soll. In Gmünd ist nur für das Jahr 1770 seine
Mitarbeit am Hochaltar der Augustinuskirche verbürgt.26
Das Schnitzwerk geht über das bisher an Gmünder Türen Gesehene
entschieden hinaus, auch über Kornhausstraße 25 von 1760, wo der fast
schüchterne Versuch gemacht ist, Bandelwerk-Buchten und Rocaillen an
der Schmalseite der Füllungen in einer Parallele und so zur Harmonie zu
bringen. Ein mehr tastender als gelungener Versuch. Wie eine derartige
Kombination organisiert werden kann, zeigt Imhofstraße 2. Das Bandel-
werk zeichnet die Füllungen nach und schürzt in ihrer Mitte einen
Knoten, indessen Rocaillen von den Schmalseiten in die Flächen herein-
züngeln. Plastische Wucht kennzeichnet die Querleisten, wo modifi-
zierte Ovale ausgemuldet und ihr Zentrum mit Messingknöpfen aufge-
buckelt sind. Eine Mitte ist geschaffen und zugleich eine horizontale und
vertikale Verspannung, eine Idee, die bei Türen der siebziger Jahre
wieder aufgenommen und zur Vollendung gebracht wird. Davon später.
► 25 Jetzt zur Türe des Nachbarhauses, Imhofstraße 4. Peter Bommas
 
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