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Österreich / Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale [Hrsg.]
Kunstgeschichtliches Jahrbuch der K[aiserlich-]K[öniglichen] Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale — 1.1907

DOI Artikel:
Dvořák, Max: Spanische Bilder einer österreichischen Ahnengalerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.18129#0042
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M. DvoäAk Spanische Bilder einer österreichischen Ahnengalerie

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geschichtlichen Literatur.-5) Und doch ist er ein höchst interessanter Künstler. Der König- ist
dargestellt, als wäre er soeben ins Gemach getreten und würde eilen, so bald wie möglich
weiter zu gehen (Taf.V). Das Gemach, in dem er steht, hat links vorne ein großes Fenster
oder ist da loggienartig ganz offen, so daß es reichlich beleuchtet ist, beinahe als ob man im
Freien wäre. Doch es ist ein blasses kühles Abendlicht und die Figur des Königs wirft
einen langen Schatten und löst sich selbst wie ein schwarzer Schatten vom Hintergrunde
ab, um den bleichen Kopf in der schneeweißen Halskrause um so schärfer hervortreten zu
lassen. Dieser Kopf selbst ist mit wenigen Strichen gemalt. Man wäre versucht bereits den
Einfluß des Velazquez anzunehmen, was jedoch chronologisch ganz ausgeschlossen ist. Der
Impressionismus der figuralen und koloristischen Komposition war eben der courant d'art
dieser spanischen Hofschule und ist auch von Künstlern zweiten und dritten Ranges weiter
entwickelt worden, bis ihm Velazquez eine Form gab, die wie viele andere Dualitäten seiner
Werke der Folgezeit wie eine Offenbarung erscheinen mußte und alle Vorstufen bald ver-
gessen ließ.

So bietet uns die Porträtreihe, die als ein Beispiel für das unbekannte Material, welches
solche Ahnengalerien auf österreichischen adeligen Residenzen bergen, herangezogen wurde/')
mannigfaltige kunstgeschichtliche Belehrung. Und dennoch — man verzeihe mir dieses
Extempore — bieten diese Bildnissammlungen, die nicht gesammelt wurden, sondern im
organischen Zusammenhange mit- der Geschichte bestimmter Familien entstanden sind, dem
Historiker noch mehr und wichtigeres als nur ein unbekanntes kunstgeschichtliches Material.
Man könnte ruhig die Kunstgeschichte, dieses Herzenskind des Dilettantismus, aufgeben,
wenn sie über den angestrebten gesteigerten ästhetischen Genuß der Kunsterzeugnis.se der
vergangenen Perioden hinaus nicht unmittelbar oder mittelbar auch die Erkenntnis des all-
gemeinen Verlaufes der historischen Entwicklung fördern würde. Welche unmittelbare Auf-
schlüsse allgemein historischer Natur solche Porträtserien dem Betrachter bieten können,
sei hier noch wenigstens angedeutet.

Man erinnere sich noch einmal der schönen Tochter der Donna Maria, deren Bildnis
als Mädchen und junge Frau wir besprochen haben. Sie war nicht nur eine anmutige,
sondern auch eine geistvolle und bedeutende Frau und spielte in der politischen Geschichte
ihrer Zeit eine wichtige Rolle. Eine merkwürdige Begebenheit charakterisiert diese Rolle.
Als am 18. Mai 1618 die kaiserlichen Statthalter Martinic und Slavata aus der Landtagsstube
am Hradschin zum Fenster hinausgeworfen wurden (ein Ereignis, welches ein Wendepunkt in der
Geschichte Österreichs und Mitteleuropas gewesen ist), flüchteten sie sich zur Frau Polyxena.
Die Stände verlangten die Auslieferung, Polyxena schlug sie kurzweg ab. Man weiß nicht,

5) Ein schönes bezeichnetes Bild von ihm befindet
sich im Depot des AVicner Hofmuseums. Es stellt wahr-
scheinlich die Königin Marie, Gemahlin Maximilians II., in
Nonnentracht dar. Die mir bekannten unbezeichneten
Werke des Lopez werde ich gelegentlich zusammen-
stellen.

°) Es ließen sich andere anschließen, von den robusten
Bildnissen des bayrischen Hans Schöpfer an bis zu den
Pastellmalern der zweiten Hälfte des XVIII. Jh. Eines sei
noch erwähnt: In Biographien der Gerard Honthorst findet
man die Bemerkung, daß er zahlreiche Bildnisse malte, doch

wisse man nicht, wohin sie gekommen sind, da sich in den
öffentlichen Sammlungen nur wenige befinden. In Raudnitz
gibt es ihrer eine Reihe; sie stellen Mitglieder der Familien
Nassau-Hadamar und Nassau-Oranien dar, Verwandte der
Fürstin Claudia Franziska Lobkowitl, die eine geborene
Prinzessin Nassau-Hadamar gewesen ist. Besonders ist
dieses Material für die zweite Hälfte des XVI. und erste
des XVII. Jhs. wichtig, in welcher Zeit die adeligen Resi-
denzen der Mittelpunkt des Kunstbetriebes bei uns gewesen
sind. Es spinnen sich da manche Fäden zur Folgezeit.
 
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