Der Kampf um Alt-Wien
III. Wiener Neubauten
Einige gepiante oder voiizogene Eingriife in
das Stadtbiid Wiens haben in jüngster Zeit breitere
Schichten des Publikums zu interessieren begonnen,
ais dies sonst bei Fragen des öffentiichen Bauwesens
der Fait zu sein püegt; die Diskussion über die Ver-
bauung des Karlspiatzes, über die von den
Behörden Wicns systematisch betriebene Zer-
störung seines wertvoiisten Teiies, der innern
Stadt, über das „Streithaus" am Michaeierplatz
haben einen iebhaften Widerhall gefunden. Daß
sich die öffentliche Meinung dabei zunächst
vielfach irreführen und von Schlagwörtern be-
tören iäßt, die anderwärts iängst abgetan sind,
darf uns nicht hindern, dieses Erwachen nach
einer allzu langen völiigen Gieichgültigkeit
hoffnungsvoli zu begrüßen; denn die große
Masse — einschiießiich derer, die sich die
Führer der öffentiichen Meinung nennen dürfen,
weil sie deren servile Diener sind — ist natur-
gemäß das konservativste Eiement aiier kultu-
rellen Entwicklung und in ästhetischen Dingen
nicht als positiver Faktor, sondern iedigiich
ais unentbehrlicher Widerstand und Schwer-
gewicht anzusehen. Denkmaipfiege und Heimat-
schutz sind, wie wir sie heute ansehen, Fragen,
die die Allgemeinheit angehen; wir haben immer
und immer wieder den Standpunkt verfochten,
daß das Verhäitnis zu den Monumenten der
Vergangenheit nicht eine Sache historischer
Bildung, sondern aligemein menschlichen Inter-
esses sei, daß es sich nicht um die Belustigung
geiehrter Feinschmecker, sondern um ideale
Güter der ganzen Nation handie. Aber seit
wann haben wir diese Erkenntnis errungen?
Müssen wir es nicht als die natüriiche Kon-
sequenz unserer allzuzögernd aufgegebenen
historisch-antiquarischen Auffassung der Denk-
malpüege tragen, daß heute jeder einzeine, der sein
Interesse an den Monumenten aiter Kultur erwachen
fühlt, es antiquarisch aufzuputzen bemüht ist und uns
nicht versteht, wenn wir ihre künstlerische, die aii-
gemein menschiiche Bedeutung für viel wesentiicher
Fig. iq Stuttgart, Demoiierte Partie aus der Aitstadt
3*
III. Wiener Neubauten
Einige gepiante oder voiizogene Eingriife in
das Stadtbiid Wiens haben in jüngster Zeit breitere
Schichten des Publikums zu interessieren begonnen,
ais dies sonst bei Fragen des öffentiichen Bauwesens
der Fait zu sein püegt; die Diskussion über die Ver-
bauung des Karlspiatzes, über die von den
Behörden Wicns systematisch betriebene Zer-
störung seines wertvoiisten Teiies, der innern
Stadt, über das „Streithaus" am Michaeierplatz
haben einen iebhaften Widerhall gefunden. Daß
sich die öffentliche Meinung dabei zunächst
vielfach irreführen und von Schlagwörtern be-
tören iäßt, die anderwärts iängst abgetan sind,
darf uns nicht hindern, dieses Erwachen nach
einer allzu langen völiigen Gieichgültigkeit
hoffnungsvoli zu begrüßen; denn die große
Masse — einschiießiich derer, die sich die
Führer der öffentiichen Meinung nennen dürfen,
weil sie deren servile Diener sind — ist natur-
gemäß das konservativste Eiement aiier kultu-
rellen Entwicklung und in ästhetischen Dingen
nicht als positiver Faktor, sondern iedigiich
ais unentbehrlicher Widerstand und Schwer-
gewicht anzusehen. Denkmaipfiege und Heimat-
schutz sind, wie wir sie heute ansehen, Fragen,
die die Allgemeinheit angehen; wir haben immer
und immer wieder den Standpunkt verfochten,
daß das Verhäitnis zu den Monumenten der
Vergangenheit nicht eine Sache historischer
Bildung, sondern aligemein menschlichen Inter-
esses sei, daß es sich nicht um die Belustigung
geiehrter Feinschmecker, sondern um ideale
Güter der ganzen Nation handie. Aber seit
wann haben wir diese Erkenntnis errungen?
Müssen wir es nicht als die natüriiche Kon-
sequenz unserer allzuzögernd aufgegebenen
historisch-antiquarischen Auffassung der Denk-
malpüege tragen, daß heute jeder einzeine, der sein
Interesse an den Monumenten aiter Kultur erwachen
fühlt, es antiquarisch aufzuputzen bemüht ist und uns
nicht versteht, wenn wir ihre künstlerische, die aii-
gemein menschiiche Bedeutung für viel wesentiicher
Fig. iq Stuttgart, Demoiierte Partie aus der Aitstadt
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