N O T ! Z E N
Österreichisches Denkmalschutzgesetz
Die Frage eines österreichischen Denkmalschutz-
gesetzes ist in ein entscheidendes Stadium getreten.
Die Kommission, die zur Beratung der Vorlage im
Herrenhause eingesetzt wurde, hat sich auf einen
vom Grafen Latour ausgearbeiteten Entwurf geeinigt,
der ais ein Zeugnis der Klärung der Anschauungen
vom Standpunkte der Denkmaipflege auch prinzipieü
interessant und wichtig ist und deshaib auch in
diesen Blättern besprochen werden soii.
Ein charakteristisches Merkmal der Vortage
ist der Verzicht auf jede Art der Kiassierung der
Denkmaie, was ungemein zu begrüßen ist. Denn
die bisherigen Kiassierungssysteme waren ebenso
faisch als schädiich. Eine skaiamäßige Taxierung
der Denkmale beruhte auf der Voraussetzung, daß
sich die Geschichte der Kunst auf bestimmte Stil-
formein und vermeintliche absoiute Kunstwerte redu-
zieren läßt, die es den Organen der Denkmalpftege
ermöglichen, die Bedeutung eines Denkmaies für das
staatiiche Kesort mit einer geradezu mathematischen
Sicherheit zu bestimmen. Nun haben wir aber längst
die Überzeugung gewonnen, daß der Maßstab, die
Lehren und Rezepte, nach denen solche Bewertungen
und Einschachteiungen erfoigten, im Widerspruche
mit der tatsächiichen Entwickiung steiit, die von einer
fast unerschöpflichen Mannigfaltigkeit war und den
verschiedensten Denkmäiern eine ungeahnte histo-
rische oder künstlerische Bedeutung von neu ge-
wonnenen Gesichtspunkten aus veriiehen hat oder in
der Zukunft verleihen kann, so daß die von vornerein
festgelegte Einschränkung des Schutzes auf bestimmte
Denkmale oder Denkmalsgruppen nicht minder sinn-
los wäre, wie wenn man vom Standpunkte der Zoologie
beschließen würde auf die Erhaltung der Weltfauna
hinzuarbeiten und sich dabei auf bestimmte Arten
und Gattungen beschränken, die übrigen aber ruhig
der Ausrottung preisgeben würde.
Dazu kommt noch etwas anderes.
Wir wünschen und fordern die Erhaltung alter
Kunstwerke nicht nur ihrer kunstgeschichtlichen Be-
deutung wegen, sondern nicht minder deshalb, weil
wir sie als eine künstlerische Bereicherung unserer
Lfmgebung betrachten, die vielfach von der kunst-
geschichtlichen Bedeutung oder dem absoluten Kunst-
werte des Denkmales unabhängig ist. Eine alte
malerische Stadtbefestigung ist uns von diesem Ge-
sichtspunkte aus nicht minder lieb und wertvoll ais
ein prunkvolles Schloß und eine Dorfgemeinde hat
auf die Erhaltung ihres stimmungsvollen Dorfkirch-
leins nicht minder Anspruch als die Gelehrten auf
die Erhaltung eines wichtigen Fundes. Gerade dieser
eigentliche Denkmalwert ist aber ein unendlich
huktuierender, da er von geistigen Strömungen und
Stimmungen wie auch vom künstlerischen EmpHnden
der Gegenwart abhängt, das von einem Lustrum zum
andern einen neuen künstlerischen Inhalt zu bekommen
pHegt. Ein Schema der Einschätzung wäre da be-
reits überholt, bevor man es ausgefüllt hat. Diese
Mannigfaltigkeit und Variabilität des Denkmalswertes
ist freilich sehr unbequem für die staatliche Ver-
waltung des Denkmalbesitzes, aber in dieser Unbe-
quemlichkeit liegt auch die wichtigste Belebungs-
quelle. Eine staatliche DenkmalpHege, der die Mög-
lichkeit geboten wird, nach Schablonen und Formeln
ihres Amtes zu walten oder sich auf einige wenige
dogmatisch ausgewählte Denkmäler zu beschränken,
verliert bald jede Verbindung mit der tatsächlichen
Entwicklung und wirkt eher hindernd als fördernd.
Sie darf mit anderen Worten nicht der Bureaukrati-
sierung oder akademischen Sterilität anheimfallen,
!!*
Österreichisches Denkmalschutzgesetz
Die Frage eines österreichischen Denkmalschutz-
gesetzes ist in ein entscheidendes Stadium getreten.
Die Kommission, die zur Beratung der Vorlage im
Herrenhause eingesetzt wurde, hat sich auf einen
vom Grafen Latour ausgearbeiteten Entwurf geeinigt,
der ais ein Zeugnis der Klärung der Anschauungen
vom Standpunkte der Denkmaipflege auch prinzipieü
interessant und wichtig ist und deshaib auch in
diesen Blättern besprochen werden soii.
Ein charakteristisches Merkmal der Vortage
ist der Verzicht auf jede Art der Kiassierung der
Denkmaie, was ungemein zu begrüßen ist. Denn
die bisherigen Kiassierungssysteme waren ebenso
faisch als schädiich. Eine skaiamäßige Taxierung
der Denkmale beruhte auf der Voraussetzung, daß
sich die Geschichte der Kunst auf bestimmte Stil-
formein und vermeintliche absoiute Kunstwerte redu-
zieren läßt, die es den Organen der Denkmalpftege
ermöglichen, die Bedeutung eines Denkmaies für das
staatiiche Kesort mit einer geradezu mathematischen
Sicherheit zu bestimmen. Nun haben wir aber längst
die Überzeugung gewonnen, daß der Maßstab, die
Lehren und Rezepte, nach denen solche Bewertungen
und Einschachteiungen erfoigten, im Widerspruche
mit der tatsächiichen Entwickiung steiit, die von einer
fast unerschöpflichen Mannigfaltigkeit war und den
verschiedensten Denkmäiern eine ungeahnte histo-
rische oder künstlerische Bedeutung von neu ge-
wonnenen Gesichtspunkten aus veriiehen hat oder in
der Zukunft verleihen kann, so daß die von vornerein
festgelegte Einschränkung des Schutzes auf bestimmte
Denkmale oder Denkmalsgruppen nicht minder sinn-
los wäre, wie wenn man vom Standpunkte der Zoologie
beschließen würde auf die Erhaltung der Weltfauna
hinzuarbeiten und sich dabei auf bestimmte Arten
und Gattungen beschränken, die übrigen aber ruhig
der Ausrottung preisgeben würde.
Dazu kommt noch etwas anderes.
Wir wünschen und fordern die Erhaltung alter
Kunstwerke nicht nur ihrer kunstgeschichtlichen Be-
deutung wegen, sondern nicht minder deshalb, weil
wir sie als eine künstlerische Bereicherung unserer
Lfmgebung betrachten, die vielfach von der kunst-
geschichtlichen Bedeutung oder dem absoluten Kunst-
werte des Denkmales unabhängig ist. Eine alte
malerische Stadtbefestigung ist uns von diesem Ge-
sichtspunkte aus nicht minder lieb und wertvoll ais
ein prunkvolles Schloß und eine Dorfgemeinde hat
auf die Erhaltung ihres stimmungsvollen Dorfkirch-
leins nicht minder Anspruch als die Gelehrten auf
die Erhaltung eines wichtigen Fundes. Gerade dieser
eigentliche Denkmalwert ist aber ein unendlich
huktuierender, da er von geistigen Strömungen und
Stimmungen wie auch vom künstlerischen EmpHnden
der Gegenwart abhängt, das von einem Lustrum zum
andern einen neuen künstlerischen Inhalt zu bekommen
pHegt. Ein Schema der Einschätzung wäre da be-
reits überholt, bevor man es ausgefüllt hat. Diese
Mannigfaltigkeit und Variabilität des Denkmalswertes
ist freilich sehr unbequem für die staatliche Ver-
waltung des Denkmalbesitzes, aber in dieser Unbe-
quemlichkeit liegt auch die wichtigste Belebungs-
quelle. Eine staatliche DenkmalpHege, der die Mög-
lichkeit geboten wird, nach Schablonen und Formeln
ihres Amtes zu walten oder sich auf einige wenige
dogmatisch ausgewählte Denkmäler zu beschränken,
verliert bald jede Verbindung mit der tatsächlichen
Entwicklung und wirkt eher hindernd als fördernd.
Sie darf mit anderen Worten nicht der Bureaukrati-
sierung oder akademischen Sterilität anheimfallen,
!!*