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Yr. 29 u. 30.

Lerlin, öcn 30. Juni 1861.

XIV. Jahrgang

’/MÖ

Wochenkalender.

Iflontafl, den 1. Juli.

ES kann ja nicbt immer so bleiben
Hier unter dem wechselnden Mond;
DaS^wlssen die Fürsten am beizten.

Die einst in Italien gethront.

Dienstag, den 2. Juli.

Wir haben zum Schein unS gestritten
Und Tinte verschrieben genug;

Wir brachten'S — o Villafranea! —
Zum diplomatischen Bruch.

Mittwoch, den 3. Juli.

Wir schmollten so gut mit einander
Und hatten unv gar nicht mehr lieb;
Man wünschte an Donau und Tiber:
Ach. wenn es doch immer so blieb'!

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Wochenkalender.

Donnerstag, den 4. Juli.

Doch weil eö nicht immer so bleibet,

So Halle Zlalien recht fest.

Wer weiß denn, wie Schlimmes unS bringet
D«S Schicksal von Ost oder West?
Freitag, den 5. Juli.

Und wenn wir auch fern von einander,
So bleiben die Herzen sich nah;

(5ö hat doch noch Keiner erralhen,

Was zwischen uns Beiden geschah.
Sonnabend, den 6. Juli.

Jetzt kommen wir wiederzusammen
Aus diplomatischer Bahn;

Da knüpfen ans fröhliche Ende
Den fröhlichen Anfang wir an.

L N. V. E. Kladderadatsch.

lisiisch-'siiki)risches Wochenblatt.

Mit dem 1 Juli 1S61 beginnt ein neues Abonnement ans den Kladderadatsch mit 21 Cgr. vierteljährlich. — Wir bitten »«rechtzeitige
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JUinnuat« ffcr -ratschlaab: Bei allen PoQdmfrrn tt* Du- a. XatfaaM n. bei allen Bucfiftaatlangea ;
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ftr A»ertka : Die Buchhändler Wrtlerwaaa Sr Comp in vew-yor». Schäffer Sr Coarckdl in Philadelphia:

sLrRallaa» r Da» St. Hoheit.-Co-plotr t. St. peterrkarg. |o wie alle B. Po fldafrr u. fämmtL Buchbanbl.
far die A. A. Vekerreich. Staate» a. sSmmtl. Arsaltader: Die B. B. pollLatt« n. BuctMaöfna#«
far die Cftrkri „d dir PaMa>fLrste»ttzt»er: Die B B. ©iftcrr. poNö,trr und die Bochhaob.
lung von Getr. Böhler in Coallanttaopel.


rabafe. ZZo

Schon wieder rin Äct! And der Vorgang fiel, ab trat von

der Lühne der Possen

Eine tust'ge Person, der krankende Mann, der endlich

selig verflossen;

Deß' schleichende Zucht, langjähriges Leid, zuletzt zum Tode

gesteigert.,

Gbgteich er der kundigen Aerzte Lefeht zuletzt standhaft fich

geweigert —

Daß rr leider zu spät ihm Gehorsam versagt, jn spät bereuend

im Sterben!

Mißtrauend einander, geschaart um den Sarg stehn da die

lachenden Erben.

Er aber, befreit von der Erde Druck und ihrem Äammer-

gewimmei.

Schwebt, lachend der lachenden Erben, bereits in Mahoms

siebentem Himmel.

Dort schwelgt mit den Vätern ans Osmans Stamm er beim

lecker bereiteten Mähte

And schlürfet ambragrwürzten Sorbet aus diamantener Schale.

Ihm duftet des bräunlichen Mokka-Gebräu's Ärom aus gül-
dener Tasse.

Er bläst ans meilenlangem Tfchibuk des Dampfes wolkige Masse.

«mgankelt von tanzender Mädchen Schaar schaut er der üppi-
gen Honris

Lustschwellciiden Telz, traumscligen Slicks, in naturalibus puris.

Dann schluckend des gurgelnden Rargileh haschischgeschwän-
gerte Wolke,

Erzählt er der Ihnen versammelter Schaar von seinem seligen

Volke —

vom frommen Volke des Moslemin, von der Giaurs verteu-
felten Streichen,

von des heiligen Halbmonds filbernem Schein, der leider bald

wird erbleichen.

Und er spricht von den Ledern des Libanon, von dem Llute

des Maroniten,

Den der Franzmann schützt; von des Drusen Srimm, der der

Freund des christlichen Lriten!

And weife Reden entströmen dem Mund und manch verspätete

Warnung

vor der listigen Freunde täuschendem Lund und der Heuchet-

schlangenumgarnung:

Zwar selig bin ich in Mahoms Reich; doch auf Erden mußt'

ich es büßen,

Daß immer ich stand an erborgtem Stab und nimmer auf

eigenen Füßen!

Daß ich gestern gebuhlt mit dem Linken, und heut liebäugelnd

nickte dem Rechten,

Treulos gescholten von Freundes Zorn, und verlacht vom

Hohne der Schlechten!

Weh, daß keinem Freund ich fest mich verband zu guten und

schlimmeren Tagen!

Weh der „freien Hand!" Sie war so frei — mir selbst

ins Antlitz zu schlagen!

Doch ich habe vollendet! Mir war's zu spät! Die aber auf

Erden noch wallen,

Mag euch des Todten warnendes Wort ein Ruf, ein mahnender,

schallen:

Daß ein Zeder zur Thal sich in eigener Kraft anfraffe

zur richtigen Stunde,

Roch eh' es zu spät! Denn der Erste gewinnt, doch den

Letzten — beißen die Hunde!

Kladderadatsch.
 
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