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Wodjcnfmfcnbcr.

Monlaq, den 8. Januar.

Oeffnet euch, il,r Landlagspforte»,
Neu beginne das Turnei!
Rcichcnsperger und Consorten,
Fromme Römer, kommt herbei!

Dienstag, den S. Januar.

Füllt euch wieder, ihr Tribünen,

Mit der holden Frauen Kranz!

Schaut, des Kampfspiel- harrt, de- kühnen,

Mittwoch, den 1V. Januar.

Macht auf» Neu' zu Stoß und Hiebe
Freudig Herz und Hand bereit!

Auf den Ritter ihrer Liebe
Blickt gespannt Frau Adelheid.

Worijciifiafmbcr.

Donnerstag, den 11. Januar.
Schwingt die Lanzen! Rufet: Sonny,
llonny soit qui mal y pense!

Softer, sporne deinen Pony .

Heut zum Ernst des Waffengangs.

Freitag, den 12. Januar.
Eulenburg und Wühler reiten
Auf den Plan: Wo ist der Mann,
Der uns in gerechtem Streiten
Aus dem Sattel heben kann?

Sonnabend, den 13. Januar.

Freut am Spiel euch, dem enieuten,
Rüstet euch, es zu bestehn;

Hat'S auch wenig zu bedeuten,

Jst'S doch lieblich anzuseha.

Kladderadatsch.

Humoristisch-snlirisches llHicfjcnüfatl

tm

Eine Jccitjaljrs-Uiltim.

<On der Nacht von Sankt Silvester
Bei dcö späten Monde- blassen
Lichtern schlendert' ich in beßter
Stimmung durch der Hauptstadt Gassen.

In des Kreuzblatts trüben Spalten
Las vorher ich und — ward heiter;
Seine Wehmnthöklagen hallten
Mir im Ohr noch lustig weiter.

Plötzlich wie gefesselt stehe
Ich, erschreckt von Jammertönen,
Lausche auf — in meiner Nähe
Klang es wie ein kläglich Stöhnen.

Hastig schreit' ich zu dem Orte,

Wo erklang das Wehgeheule:

Kauernd an deö Reichstags Pforte
Lehnt ein Ritter an der Säule.

Schier verzweifelnd der erschreckte
Ausdruck seiner bleichen Mienen —
Ein Lohalitätöfrack deckte
Schämig fast der Rüstung Schienen.

Auf der rost'gen Eisenkappe
Schien der Helmbusch angetrieben,
Und das Schwert von Silbcrpappe
War zerfetzt von wucht'gen Hieben.

Von den Schultern niederwallte

Ihm deö Kreuzblatts letzte Nummer;
An die Blcchbrust, daß eö schallte,
Schlug er bas, voll Grimm und Kummer.

Und er rauft die dünnen Haare,

Und er ringt die dürren Hände:
„Jahre seh' ich kommen, Jahre
Gehn, und näher stets daö Ende!

All' mein Kämpfen — Weh! — ist eitel,
Hoffnungslos all' unser Streiten!
Weh! Schon über unsre Scheitel
Braust die Flut der neuen Zeiten!

Weh! Schon wanken selbst die Beßten,
Und ich seh' mit Gram und Trauern
Stürzen unsrer heil'gen Vesten
Altersgraue Thürm' und Mauern!

Krachend sinken ihre Hallen
Vor deö gift'gen Sturms Berührung;
Unsre treu'sten Kämpen fallen
In die Netze der Verführung!

Gegen unsre schwarzen Freunde
Mit selbstmörderischen Händen —
Weh! Verirrt ist die Gemeinde! —
Muß ich selbst die Waffe wenden!

Zwar wir kämpfen, doch im Geiste
Treuer Pflicht nur, und am Ende
Leget muthloö selbst der Treu'ste
In den Schooß die matten Hände.

Denn dem Fortschritt, dem verwegner«.
Bleibt der Sieg in diesen Tagen;

Und wir müssen - weh! — den Gegnern
Selbst dazu die Brücken schlagen!

Größe, Macht und Ansehn schwanden
In dem Bildungöschlamm der Zeiten;
Ruhm und Ehre gehn zu Schanden
In deö Reiches Herrlichkeiten!

Und auch über meine Leiche
Steigt ihr—nimmer kann ich'ö hindern.
Meinen Fluch dem neuen Reiche!
Fluch demNeichundseinrn Gründern!"

So erfaßt von Harm und Grause,
Lacht der Schemen gell und bitter;
Spurlos dann am Herrenhause
Schwand der letzte arme Ritter.

Doch ein Jubeln und ein Singen
Schallt auö lichten Fensterreihen:

Prost Neujahr! - hört' ringö ich klingen—
Auf deö neuen Reichs Gedeihen!


Hladderadatsch.
 
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